Anweisung zur Überprüfung von Rückkehrern in die DDR
Signatur: BStU, MfS, ZKG, Nr. 2579, Bl. 1-4
1985 riefen SED und Stasi eine Kampagne mit ehemaligen DDR-Bürgern ins Leben, die von der Bundesrepublik in die DDR zurückkehren wollten. Der Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke, informierte die verschiedenen Abteilungen der Stasi über ihre Aufgaben bei der Überprüfung dieser Rückkehrer.
1985 riefen SED und Stasi eine Kampagne mit ehemaligen DDR-Bürgern ins Leben, die von der Bundesrepublik in die DDR zurückkehren wollten. So druckte die Partei-Zeitung "Neues Deutschland" unter der Überschrift "Über 20.000 Ehemalige wollen zurück" Aussagen ehemaliger DDR-Bürger: Angesichts von Arbeitslosigkeit und "sozialer Kälte" im Westen würden sie lieber wieder in die DDR zurückkehren. Hatte Ost-Berlin in den 50er Jahren mit ähnlichen Kampagnen noch offensiv für die Zu- und Rückwanderung geworben, sollten nun vor allem Ausreisewillige frühzeitig umgestimmt werden. Zu diesem Zweck wurden in dem Artikel die Zahlen der Rückkehrwilligen weit übertrieben und ihre Lebenswege und Motive teilweise konstruiert. Die Kampagne war eine Reaktion auf den sprunghaft wachsenden Strom von Ausreisewilligen: 1984 hatte die SED in Zusammenhang mit dem Milliardenkredit aus der Bundesrepublik etwa 30.000 Menschen ausreisen lassen.
Erich Mielke informierte in einem Brief verschiedene Abteilungen seines Ministeriums über die Zielrichtung der Kampagne und verfügte, dass Rückkehrer nur in "begründeten Einzelfällen" aufgenommen werden sollten, etwa wenn sie für die Öffentlichkeitsarbeit nützlich zu sein schienen. Abgelehnt werden sollten hingegen Personen, die zur Anpassung nicht bereit waren, insbesondere Oppositionelle, die aus politischen Gründen inhaftiert gewesen waren.
Das Dokument belegt die zentrale Rolle der Stasi bei der Wiederaufnahme von Rückkehrern: Die Geheimpolizei überprüfte die politische Zuverlässigkeit der Rückkehrwilligen, entschied letzten Endes über die Aufnahmeanträge, versuchte andere Ausreisewillige durch öffentliche Auftritte der Rückkehrer umzustimmen und beobachtete die Reaktionen der Bürger auf diese Öffentlichkeitsarbeit.
Metadaten
- Diensteinheit:
- Minister für Staatssicherheit
- Datum:
- 8.3.1985
- Zustand:
- Leichte mechanische Schäden
sowie in eventuell später erfolgenden Veröffentlichungen genannten Personen, anderen ehemaligen Bürgern der DDR, den Bürgern der DDR, die eine Übersiedlung beabsichtigen, sowie aller anderen Versuche, den Maßnahmen der DDR entgegenzuwirken und den Druck auf staatliche Organe zur Erreichung der Übersiedlung zu verstärken.
2. Verfolgung und Aufbereitung der differenzierten Reaktion unter der Bevölkerung, insbesondere unter den Personen, die ihre Übersiedlung zu erreichen versuchen, auf die offensiven Maßnahmen der DDR und damit im Zusammenhang stehende Reaktionen des Gegners.
3. Die Leiter der Bezirksverwaltungen und die Leiter der Kreisdienststellen haben unter Bezugnahme auf die Information des Generalsekretärs mit den 1. Sekretären der Bezirks- und Kreisleitungen die bisherige Wirksamkeit der Maßnahmen zur Unterbindung und Zurückdrängung von Versuchen zur Erreichung der Übersiedlung einzuschätzen und unter Beachtung der Erkenntnisse über die Lageentwicklung und die Reaktion der Bevölkerung das weitere Vorgehen zur Erreichung der mit den offensiven Maßnahmen der DDR verfolgten Zielstellung zu beraten.
4. Die mit der Veröffentlichung sowie mit den in diesem Schreiben beigefügten weiteren Argumentationsmaterialien vermittelten Hinweise zu dieser Problematik sind in Verbindung mit bereits vorliegenden Informationen für die Organisierung des weiteren einheitlichen, abgestimmten, personen- und sachbezogenen, zweckmäßigen Vorgehens aller Kräfte im Zurückdrängungsprozeß zu nutzen.
Das beiliegende Argumentationsmaterial mit den Anlagen 1 und 2 wird vom MdI den Bereichen Innere Angelegenheiten der Bezirke, Kreise, Städte und Stadtbezirke zur Verfügung gestellt.
Der Leiter der Arbeitsgruppe für Organisation und Inspektion beim Ministerrat übergibt dieses Material den ihm unterstellten Leitern im System der Sicherheitsbeauftragten.
5. Von den zuständigen Diensteinheiten sind alle vorliegenden und noch bekannt werdenden Hinweise zu Rückkehrabsichten von ehemaligen Bürgern der DDR dahingehend zu prüfen, ob in begründeten Einzelfällen mit deren Aufnahme und Wiedereingliederung, ausgehend von ihrer Persönlichkeit, eine positive Wirkung im Prozeß der Unterbindung und Zurückdrängung von Versuchen zur Erreichung der Übersiedlung erreicht werden kann.
In diese Prüfung sind u.a. Informationen einzubeziehen über
- das Persönlichkeitsbild und das Gesamtverhalten vor der Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR,
- die Reaktion und Haltung im beruflichen und familiären Umgangskreis auf die Aktivitäten zur Erreichung der Übersiedlung, die erfolgte Übersiedlung sowie auf das Verhalten danach.