Die Stasi ermittelt gegen Skinheads
In vielen evangelischen Kirchen fanden in den 80er Jahren viele Andersdenkende Freiräume fernab von staatlichen Strukturen. Besonders die
Zionskirche in Ost-Berlin hatte sich seit 1986 mit Gründung der
Umweltbibliothek in ihren Kellerräumen immer mehr zu einem Zentrum und Treffpunkt von Punks und Mitgliedern der Friedens- und Umweltbewegung entwickelt. Im Herbst 1987 organisierten Aktivistinnen und Aktivisten aus dem Umfeld der Umweltbibliothek ein
Konzert in der Zionskirche mit der West-Berliner Band "Element of Crime". Bereits im Juli hatte es mit der Gruppe ein kleines Konzert in der
Kirche gegeben. Um eine offizielle Spielerlaubnis zu umgehen, war das Konzert als "Andacht mit Musik" getarnt worden. Am Abend des 17. Oktober 1987 spielte neben "Element of Crime" auch die Ost-Berliner Punkband "Die Firma" in der vollbesetzten Zionskirche.
Als das Konzert gegen 22 Uhr zu Ende war und sich noch
ca. 400 Menschen in der Kirche befanden, stürmten
ca. 30 alkoholisierte Neonazis aus Ost- und West-Berlin hinein. Antisemitische und faschistische Parolen grölend wie "Juden raus" und "Sieg Heil!“ prügelten sie auf die Anwesenden ein.
Die
Stasi war durch
IM-Berichte bereits Tage vorher über das geplante Punkkonzert in der Zionskirche informiert. Inoffizielle Mitarbeiter der Kriminalpolizei hatten zudem über eine Geburtstagsfeier von Neonazis in der Gaststätte "Sputnik" im selben Stadtbezirk informiert. Mehrere inoffizielle Mitarbeiter der
Stasi befanden sich zum Tatzeitpunkt auch im Publikum und sogar Bandmitglieder der "Firma" wurden später als
IM enttarnt. Die
IM-Berichte halfen der Staatssicherheit, den Vorfall später genau zu rekonstruieren. Zudem hatten Volkspolizisten den Überfall an der Zionskirche ebenfalls beobachtet, verhielten sich aber passiv und schienen überfordert angesichts der Gewalttaten.
Einige der Opfer fanden sich ein paar Tage später zu einer "Anti-
Nazi-Liga" zusammen. Sie verteilten Handzettel, in denen sie die untätige Volkspolizei kritisierten und zum Widerstand gegen Neonazis aufriefen. Die "Anti-
Nazi-Liga" und weitere
Antifa-Gruppen, die sich in verschiedenen Städten der
DDR gründeten, zogen mit ihren Aktionen wiederum die Aufmerksamkeit der
Stasi auf sich. Diese versuchte den Imageschaden, den ein Bekanntwerden der ostdeutschen Neonazi-Szene bedeutete, mit aller Macht abzuwenden.