Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 4599, Bl. 130-143
Der Wochenbericht an die MfS- und SED-Führung für den Zeitraum vom 24. bis zum 30. Oktober 1989 deutete weitreichende politische Umwälzungen an. Die Volkskammer wählte Egon Krenz als Nachfolger für den zurückgetretenen Erich Honecker. Zentrales Thema des Berichtes war darüber hinaus die Ausreise tausender Bürger aus der DDR.
Seit den 70er Jahren fungierte die Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe des Ministeriums für Staatssicherheit (ZAIG) als Schaltstelle der Geheimpolizei. Kernaufgaben dieser Diensteinheit waren die Auswertung von Informationen und die Erarbeitung von Berichten und Materialien zur Information des Ministers sowie der Partei- und Staatsführung. Diese Tätigkeit ging auf den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 zurück, der das MfS und die SED überrascht hatte.
Die ZAIG fertigte u.a. Wochenberichte an, welche die wichtigsten Ereignisse der vorangegangenen Tage für die Führung des Ministeriums und für die SED-Spitze zusammenfassten. Das vorliegende Dokument umfasst den Zeitraum vom 24. bis zum 30. Oktober 1989. Weitreichende politische Umwälzungen deuteten sich in dieser Berichtswoche an. Die Volkskammer wählte Egon Krenz als Nachfolger für den zurückgetretenen Erich Honecker. Er übernahm in Personalunion die Posten des Staatsratsvorsitzenden und des Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates. Nur einen Tag später wurden auf der Montagsdemonstration in Leipzig Stimmen laut, welche die Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit forderten.
Der vorliegende Wochenbericht beschäftigte sich eingehend mit den aus der DDR ausgereisten Bürgern und widmet auch den Rückkehrern unter ihnen besondere Aufmerksamkeit. Zudem informiert die ZAIG über ein neu auftretendes Phänomen: Gegen Parteifunktionäre richteten sich immer wieder anonyme oder pseudonyme Gewaltandrohungen. Den Anlass sehen die Verfasser im Vorgehen der Sicherungskräfte gegen Demonstranten am 7. und 8. Oktober 1989.
Anlage 1
30. Oktober 1989
Hinweis über politisch motivierte anonyme / pseudonyme Gewaltandrohungen
Im Zusammenhang mit den bekannten auf Gewaltandrohung /-anwendung, auf direkte Konfrontation mit der Staatsmacht abzielenden Handlungen um den 40. Jahrestag der Gründung der DDR kam es auch zu einer hohen Anzahl von Vorkommnissen des Führens anonymer / pseudonymer Telefonanrufe und des Versendens entsprechender Briefe.
Bezogen auf Telefonanrufe gab es in der ersten Oktoberwoche 51 und in den folgenden Wochen bis gegenwärtig (rückläufige Tendenz) 19, 16 sowie 11 Vorkommnisse.
Dabei wurden Einrichtungen der Partei sowie Dienststellen der Deutschen Volkspolizei und des MfS - jeweils auf Bezirks- und Kreisebene staatlichen Organen sowie wirtschaftsleitenden und gesellschaftlichen Einrichtungen in der Hauptstadt sowie mehreren Bezirken und Kreisen Bomben-, Sprengstoff- und Brandanschläge sowie einzelnen Parteifunktionären persönlich Angriffe auf Leben und Gesundheit angedroht. In vielen Fällen wurden die Parteifunktionäre auch mit Kraftausdrücken beschimpft.
Hinsichtlich der anonymen / pseudonymen Briefe gab es 17, 8, 1 bzw. 2 Vorkommnisse (ebenfalls rückläufige Tendenz).
Die schriftlichen Drohungen waren in der Mehrzahl an Partei- und Staatsfunktionäre bzw. allgemein an Partei- und Staatsorgane (insbesondere Kreisleitungen der SED bzw. Räte der Kreise) adressiert. Die überwiegende Anzahl der Mord- und anderen Drohungen beinhaltete gleichzeitig Äußerungen, die sich gegen die gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR bzw. den Einsatz der Sicherungskräfte am 7. und 8. Oktober 1989 richteten bzw. war mit Forderungen nach Veränderungen und Reformen in der DDR verbunden.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 4599, Bl. 130-143
Der Wochenbericht an die MfS- und SED-Führung für den Zeitraum vom 24. bis zum 30. Oktober 1989 deutete weitreichende politische Umwälzungen an. Die Volkskammer wählte Egon Krenz als Nachfolger für den zurückgetretenen Erich Honecker. Zentrales Thema des Berichtes war darüber hinaus die Ausreise tausender Bürger aus der DDR.
Seit den 70er Jahren fungierte die Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe des Ministeriums für Staatssicherheit (ZAIG) als Schaltstelle der Geheimpolizei. Kernaufgaben dieser Diensteinheit waren die Auswertung von Informationen und die Erarbeitung von Berichten und Materialien zur Information des Ministers sowie der Partei- und Staatsführung. Diese Tätigkeit ging auf den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 zurück, der das MfS und die SED überrascht hatte.
Die ZAIG fertigte u.a. Wochenberichte an, welche die wichtigsten Ereignisse der vorangegangenen Tage für die Führung des Ministeriums und für die SED-Spitze zusammenfassten. Das vorliegende Dokument umfasst den Zeitraum vom 24. bis zum 30. Oktober 1989. Weitreichende politische Umwälzungen deuteten sich in dieser Berichtswoche an. Die Volkskammer wählte Egon Krenz als Nachfolger für den zurückgetretenen Erich Honecker. Er übernahm in Personalunion die Posten des Staatsratsvorsitzenden und des Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates. Nur einen Tag später wurden auf der Montagsdemonstration in Leipzig Stimmen laut, welche die Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit forderten.
Der vorliegende Wochenbericht beschäftigte sich eingehend mit den aus der DDR ausgereisten Bürgern und widmet auch den Rückkehrern unter ihnen besondere Aufmerksamkeit. Zudem informiert die ZAIG über ein neu auftretendes Phänomen: Gegen Parteifunktionäre richteten sich immer wieder anonyme oder pseudonyme Gewaltandrohungen. Den Anlass sehen die Verfasser im Vorgehen der Sicherungskräfte gegen Demonstranten am 7. und 8. Oktober 1989.
Hinweis auf einen Suizidversuch der Ehefrau des [geschwärzt] in ihrem Wohnhaus in [geschwärzt]
Nach dem MfS vorliegenden Hinweisen erklärte die [geschwärzt] am [geschwärzt] gegen 23.30 Uhr gegenüber Bekannten in Westberlin, daß sie am nächsten Tag nicht mehr erwachen würde. Die Westberliner Gesprächspartner setzten daraufhin unverzüglich das Rettungsamt der Hauptstadt in Kenntnis.
Am [geschwärzt] trafen um 0.15 Uhr bzw. 0.35 Uhr zwei Einsatzfahrzeuge der Schnellen Medizinischen Hilfe am Ereignisort ein. Durch das Rettungsamt Berlin wurde an die DVP ein Unterstützungsersuchen zum Öffnen der Wohnungstür gerichtet. Beim Eintreffen des Funkstreifenwagens befand sich das medizinische Personal bereits im Wohnhaus, da es sich selbst Zugang verschaffen konnte.
Die [geschwärzt] wurde in einem Sessel sitzend in nichtansprechbarem Zustand vorgefunden. Nach erster medizinischer Behandlung konnte in Erfahrung gebracht werden, daß sie gegen 21.30 Uhr Alkohol und Medikamente (Faustan und Dormutil) zu sich genommen hatte. Um 0.53 Uhr erfolgte der Transport der [geschwärzt] zum Krankenhaus Köpenick. Laut Auskunft des behandelnden Arztes besteht für die [geschwärzt] keine Lebensgefahr.
Durch Aussagen der [geschwärzt] wurde bekannt, daß sich der Ehemann in der Erlöserkirche Berlin aufhält.
[geschwärzt] traf am [geschwärzt] um 1.00 Uhr in seinem Wohnhaus ein.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 4599, Bl. 130-143
Der Wochenbericht an die MfS- und SED-Führung für den Zeitraum vom 24. bis zum 30. Oktober 1989 deutete weitreichende politische Umwälzungen an. Die Volkskammer wählte Egon Krenz als Nachfolger für den zurückgetretenen Erich Honecker. Zentrales Thema des Berichtes war darüber hinaus die Ausreise tausender Bürger aus der DDR.
Seit den 70er Jahren fungierte die Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe des Ministeriums für Staatssicherheit (ZAIG) als Schaltstelle der Geheimpolizei. Kernaufgaben dieser Diensteinheit waren die Auswertung von Informationen und die Erarbeitung von Berichten und Materialien zur Information des Ministers sowie der Partei- und Staatsführung. Diese Tätigkeit ging auf den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 zurück, der das MfS und die SED überrascht hatte.
Die ZAIG fertigte u.a. Wochenberichte an, welche die wichtigsten Ereignisse der vorangegangenen Tage für die Führung des Ministeriums und für die SED-Spitze zusammenfassten. Das vorliegende Dokument umfasst den Zeitraum vom 24. bis zum 30. Oktober 1989. Weitreichende politische Umwälzungen deuteten sich in dieser Berichtswoche an. Die Volkskammer wählte Egon Krenz als Nachfolger für den zurückgetretenen Erich Honecker. Er übernahm in Personalunion die Posten des Staatsratsvorsitzenden und des Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates. Nur einen Tag später wurden auf der Montagsdemonstration in Leipzig Stimmen laut, welche die Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit forderten.
Der vorliegende Wochenbericht beschäftigte sich eingehend mit den aus der DDR ausgereisten Bürgern und widmet auch den Rückkehrern unter ihnen besondere Aufmerksamkeit. Zudem informiert die ZAIG über ein neu auftretendes Phänomen: Gegen Parteifunktionäre richteten sich immer wieder anonyme oder pseudonyme Gewaltandrohungen. Den Anlass sehen die Verfasser im Vorgehen der Sicherungskräfte gegen Demonstranten am 7. und 8. Oktober 1989.
Er erkundigte sich bei den zur Sicherung des Wohnhauses eingesetzten VP-Angehörigen nach ihrer Dienststelle und den Modalitäten ihrer Auftragserteilung und begab sich anschließend zum Krankenhaus Köpenick.
Die Kreisleitung der SED wurde vom Sachverhalt informiert.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").