Signatur: BArch, MfS, HA III, Nr. 15217, Bl. 59
Die Stasi betrieb jahrzehntelang einen immensen Aufwand, um Funkamateure in Ost- und Westdeutschland zu überwachen. So bespitzelte das MfS in den 1980er Jahren auch einen Pfarrer aus Niedersachsen, der über Verbindungen zu polnischen Amateurfunkern verfügte und als "revanchistische Person" eingestuft wurde.
Die Überwachung des Amateurfunks hatte für das Ministerium für Staatssicherheit von Beginn an eine hohe Priorität. Denn das MfS war davon überzeugt, dass die westdeutsche Regierung die ostdeutschen Funkamateure zur Übermittlung von Spionagematerial und DDR-feindlichen Informationen instrumentalisierte. Im Februar 1953 legte die DDR mit der "Verordnung über den Amateurfunk" erste Richtlinien fest und führte ein Genehmigungsverfahren ein. Für die DDR-Funkamateure galt fortan, dass sie nur noch mit offizieller Genehmigung senden und empfangen durften.
Den Funkverkehr sah die Stasi nicht nur Anfang der 1950er-Jahre als eine Gefahr an, sondern auch während des Ungarn-Aufstands 1956, des Prager Frühlings 1968, nach dem Transitabkommen 1971 mit erleichterten Reisebedingungen sowie während der Verhängung des Kriegsrechts in Polen Anfang der 1980er-Jahre, kurzum: immer wieder während der gesamten Zeit des Bestehens der DDR.
Die Amateurfunker in Ost- und Westdeutschland stellten für die Stasi ein doppeltes Risiko dar. Einerseits waren die DDR-Funker, wie alle DDR-Bürgerinnen und -Bürger beim grenzübergreifenden Radio- und Fernsehempfang, im Funkverkehr "dem westlichen Einfluss ausgesetzt", sodass das MfS eine "politisch-ideologische" Beeinflussung befürchtete, die gegen die DDR gerichtet war. Auch konnten die Amateurfunker selbst aktiv an der innerdeutschen und (außer)europäischen Kommunikation teilnehmen. Nach der Überzeugung der Stasi bestand das ständige Risiko, dass via Funk wichtige Informationen die DDR unkontrolliert verlassen würden, da eine flächendeckende Abschottung der elektromagnetischen Wellen nicht möglich war.
Um den innerdeutschen Kontakt zwischen den Funkamateuren sowie den Kontakt der westdeutschen Funker in andere sozialistische Staaten flächendeckend überwachen zu können, eröffnete das MfS 1973 den Zentralen Operativen Vorgang (ZOV) "Frequenz". Alle Fälle, bei denen die Stasi von einer feindlichen "Ausnutzung des Amateurfunks […] gegen die DDR und andere sozialistischer Staaten" ausging, wurden in diesem Überwachungsvorgang zusammengefasst (BArch, MfS, AOP 7153/82, Bd. 1, Bl. 26).
In einem Teilvorgang dieses ZOV wurde auch Ludwig Barßel (Anm. d. Red.: Name geändert), ein Pfarrer aus Niedersachsen überwacht. Er war Mitglied der "Conveniats-Runde", einer Gruppe von Amateurfunkern aus verschiedenen Ländern, die insbesondere durch Barßels Reisen nach Polen und seine Kontakte zu polnischen Funkamateuren ins Visier der Stasi geriet. Die Stasi befürchtete, dass Barßel mithilfe von polnischen Funkamateuren "revolutionäres" Gedankengut nicht nur weiterverbreiten, sondern in der Bundesrepublik massive Unterstützung finden und damit unmittelbar auch eine Gefahr für die DDR werden könnte. Die Stasi betrieb jahrzehntelang einen immensen Aufwand und überwachte Barßel bis 1989 intensiv. Dennoch gelang es dem MfS nicht, den Pfarrer zu belasten.
Besonders Barßels Reisen nach Polen während der massiven Streikwelle und der Begründung der Solidarność-Bewegung sowie der anschließenden Verhängung des Kriegsrechts in Polen führten dazu, dass er als "revanchistische Person" eingestuft wurde. Der Vorwurf lautete, er würde sein Hobby als Amateurfunker dafür "missbrauchen", gegen die DDR und das befreundete sozialistische Polen zu arbeiten. Um den Überblick über Ludwig Barßels Kontakte in die DDR und nach Polen zu behalten, fertigte die Stasi die vorliegende Übersichtskarte an.
[Es handelt sich um eine handgezeichnete Karte mit farbigen Beschriftungen und Markierungen auf Millimeterpapier. In den Gebieten der BRD, DDR und von Polen sind Ortsnamen und Verbindungen mit verschiedenen Symbolen wie gestrichelten und durchgezogenen Linien sowie Kreisen, Vierecken und Pfeilen farbig gekennzeichnet.]
Übersicht über die Verbindungen des Barßel in die VR Polen
– personelle und territoriale Schwerpunkte –
Legende:
[blau umrandeter roter Kreis] = potenzielle Schwerpunkte
– fortlaufende Aktivitäten –
Funk – Telefon – Post – Reisen
[rotes Quadrat] = Schwerpunkte
– zweitweise Aktivitäten –
Funk – Reisen – Post
[rot umrandeter grüner Kreis] = Verbindung in die DDR
– Funk – Post – Telefon
[blaues Dreieck in blau umrandetem Kreis] = GÜST's
[roter Pfeil nach rechts] = Reiseziele/Anlaufstellen in der VR Pfeil
[rot gestrichelte Linie] = vermutliche Reiseziele in VR P
Teilvorgang (TV)
Ein Teilvorgang (TV) ist ein Operativer Vorgang (OV) als Teil eines Zentralen Operativen Vorganges (ZOV). Der Teilvorgang besitzt alle Merkmale eines Operativen Vorgangs. Er steht in enger Wechselbeziehung zu anderen Teilvorgängen eines ZOV. Eröffnung, Bearbeitung und Abschluss eines Teilvorgangs erfolgten auf Grundlage der Vorgaben bzw. in Abstimmung mit der "ZOV-führenden" Diensteinheit (DE). Die Bearbeitung des Teilvorgangs wurde von der jeweils zuständigen Diensteinheit eigenverantwortlich durchgeführt. Voraussetzungen für das Anlegen eines Teilvoprgangs sind in der Richtlinie 1/76 festgelegt.
Der Operative Vorgang (OV) war ein registrierpflichtiger Vorgang und Sammelbegriff für Einzel- bzw. Gruppenvorgänge (Registrierung, TV und ZOV). Er wurde angelegt, um im Rahmen von verdeckten, aber zum Teil auch offenen Ermittlungen gegen missliebige Personen vorgehen zu können (Anweisung 14/52 vom 10.9.1952: Vorgangsordnung; 1976 durch Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" neu geregelt).
Ausgangspunkt des OV waren zumeist Hinweise auf, aus MfS-Sicht, strafrechtlich relevante Tatbestände (in der Regel Verstöße gegen die in der DDR geltenden politischen Normen), die es zu überprüfen galt. Bestandteil der nach einem klaren Abfolgeprinzip zu erstellenden OV waren "Maßnahmepläne" und ggf. in ihnen enthaltene Maßnahmen der Zersetzung, die vor allem dann zur Anwendung gelangten, wenn eine Inhaftierung aus taktischen Erwägungen als nicht opportun galt.
Im OV ermittelte das MfS nicht nur gegen die betreffende Person, es wurden auch Erkundigungen zum familiären Umfeld, zum Freundes- und Kollegenkreis u. ä. eingeholt. Konnten Delikte keinen Personen unmittelbar zugeordnet werden (z. B. Flugblätter, Losungen, anonyme Briefe), wurde ein OV gegen unbekannt eröffnet. Darin wurden die nach den Vorstellungen des MfS potenziell als Urheber in Frage kommenden Personen dahingehend überprüft, ob ihnen die "Tat" nachzuweisen war.
Häufig ging dem OV eine Operative Personenkontrolle (OPK) voraus. OV waren mit Vorschlägen zur Ahndung der nachgewiesenen Straftatverletzungen (z. B. Ermittlungsverfahren; Anwerbung; Zersetzungsmaßnahmen) bzw. bei Nicht-Bestätigung des Ausgangsverdachts durch Einstellen der Bearbeitung abzuschließen.
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