Signatur: BArch, MfS, HA III, Nr. 15217, Bl. 195
Die Stasi überwachte seit den 1950er Jahren den Amateurfunk sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik. Sie schickte u. a. einen IM nach Niedersachsen, um die Antennenanlage eines Amateurfunkers genauestens zu dokumentieren.
Die Überwachung des Amateurfunks hatte für das Ministerium für Staatssicherheit von Beginn an eine hohe Priorität. Denn das MfS war davon überzeugt, dass die westdeutsche Regierung die ostdeutschen Funkamateure zur Übermittlung von Spionagematerial und DDR-feindlichen Informationen instrumentalisierte. Im Februar 1953 legte die DDR mit der "Verordnung über den Amateurfunk" erste Richtlinien fest und führte ein Genehmigungsverfahren ein. Für die DDR-Funkamateure galt fortan, dass sie nur noch mit offizieller Genehmigung senden und empfangen durften.
Den Funkverkehr sah die Stasi nicht nur Anfang der 1950er-Jahre als eine Gefahr an, sondern auch während des Ungarn-Aufstands 1956, des Prager Frühlings 1968, nach dem Transitabkommen 1971 mit erleichterten Reisebedingungen sowie während der Verhängung des Kriegsrechts in Polen Anfang der 1980er-Jahre, kurzum: immer wieder während der gesamten Zeit des Bestehens der DDR.
Die Amateurfunker in Ost- und Westdeutschland stellten für die Stasi ein doppeltes Risiko dar. Einerseits waren die DDR-Funker, wie alle DDR-Bürgerinnen und -Bürger beim grenzübergreifenden Radio- und Fernsehempfang, im Funkverkehr "dem westlichen Einfluss ausgesetzt", sodass das MfS eine "politisch-ideologische" Beeinflussung befürchtete, die gegen die DDR gerichtet war. Auch konnten die Amateurfunker selbst aktiv an der innerdeutschen und (außer)europäischen Kommunikation teilnehmen. Nach der Überzeugung der Stasi bestand das ständige Risiko, dass via Funk wichtige Informationen die DDR unkontrolliert verlassen würden, da eine flächendeckende Abschottung der elektromagnetischen Wellen nicht möglich war.
Um den innerdeutschen Kontakt zwischen den Funkamateuren sowie den Kontakt der westdeutschen Funker in andere sozialistische Staaten flächendeckend überwachen zu können, eröffnete das MfS 1973 den Zentralen Operativen Vorgang (ZOV) "Frequenz". Alle Fälle, bei denen die Stasi von einer feindlichen "Ausnutzung des Amateurfunks […] gegen die DDR und andere sozialistischer Staaten" ausging, wurden in diesem Überwachungsvorgang zusammengefasst (BArch, MfS, AOP 7153/82, Bd. 1, Bl. 26).
In einem Teilvorgang dieses ZOV wurde auch Ludwig Barßel (Anm. d. Red.: Name geändert), ein Pfarrer aus Niedersachsen überwacht. Er war Mitglied der "Conveniats-Runde", einer Gruppe von Amateurfunkern aus verschiedenen Ländern, die insbesondere durch Barßels Reisen nach Polen und seine Kontakte zu polnischen Funkamateuren ins Visier der Stasi geriet. Die Stasi befürchtete, dass Barßel mithilfe von polnischen Funkamateuren "revolutionäres" Gedankengut nicht nur weiterverbreiten, sondern in der Bundesrepublik massive Unterstützung finden und damit unmittelbar auch eine Gefahr für die DDR werden könnte. Die Stasi betrieb jahrzehntelang einen immensen Aufwand und überwachte Barßel bis 1989 intensiv. Dennoch gelang es dem MfS nicht, den Pfarrer zu belasten.
Die Wohn- und Wirkungsstätte von Barßel bespitzelte die Stasi verglichen mit anderen Überwachungen in der Bundesrepublik sehr intensiv. Stasi-Spitzel überprüften nicht nur die Adresse des Pfarrers, sondern kundschafteten auch die angrenzende Schule, die Nachbarschaft und das gesamte Kirchengelände aus.
Besonders über die verwendete Funkantenne wollte die Stasi mehr Informationen erhalten. Denn Ludwig
Barßel funkte nicht nur auf einem Funkabschnitt, sondern auf allen für den Amateurfunk zur Verfügung
stehenden Frequenzbereichen, einschließlich dem Funkfernschreiben und dem Schmalbandfernsehen.
[handschriftliches Dokument]
Anlage
Antennenanlage auf dem Dach der Kirche
[geschwärzt] – vermutlich Clubstation [geschwärzt]
[Schwarz-Weiß-Fotografie mit Antennen auf einem Hausdach]
Antennenmast ist offensichtlich feststehend
Antennenrichtung: östlich (Rtg. Staatsgrenze der DDR)
Antenneneinschätzung
[Schwarz-Weiß-Fotografie mit Antennen auf einem Hausdach und handschriftlicher Nummerierung]
Mastbestückung (Funksende- und Empfangsantenne):
1) kreuzpolarisierte Yagi (kommerzielle Ausführung)
Frequenzbereich verm. VHF
2) kreuzpolarisierte Yagi (kommerzielle Ausführung)
Frequenzbereich verm. UHF
3) abstimmbare KW-Richtantenne
Frequenzbereich verm. 3–30 MHz
(11 m - KW Band u. möglicherweise Funkfernschreiben)
Teilvorgang (TV)
Ein Teilvorgang (TV) ist ein Operativer Vorgang (OV) als Teil eines Zentralen Operativen Vorganges (ZOV). Der Teilvorgang besitzt alle Merkmale eines Operativen Vorgangs. Er steht in enger Wechselbeziehung zu anderen Teilvorgängen eines ZOV. Eröffnung, Bearbeitung und Abschluss eines Teilvorgangs erfolgten auf Grundlage der Vorgaben bzw. in Abstimmung mit der "ZOV-führenden" Diensteinheit (DE). Die Bearbeitung des Teilvorgangs wurde von der jeweils zuständigen Diensteinheit eigenverantwortlich durchgeführt. Voraussetzungen für das Anlegen eines Teilvoprgangs sind in der Richtlinie 1/76 festgelegt.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Der Operative Vorgang (OV) war ein registrierpflichtiger Vorgang und Sammelbegriff für Einzel- bzw. Gruppenvorgänge (Registrierung, TV und ZOV). Er wurde angelegt, um im Rahmen von verdeckten, aber zum Teil auch offenen Ermittlungen gegen missliebige Personen vorgehen zu können (Anweisung 14/52 vom 10.9.1952: Vorgangsordnung; 1976 durch Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" neu geregelt).
Ausgangspunkt des OV waren zumeist Hinweise auf, aus MfS-Sicht, strafrechtlich relevante Tatbestände (in der Regel Verstöße gegen die in der DDR geltenden politischen Normen), die es zu überprüfen galt. Bestandteil der nach einem klaren Abfolgeprinzip zu erstellenden OV waren "Maßnahmepläne" und ggf. in ihnen enthaltene Maßnahmen der Zersetzung, die vor allem dann zur Anwendung gelangten, wenn eine Inhaftierung aus taktischen Erwägungen als nicht opportun galt.
Im OV ermittelte das MfS nicht nur gegen die betreffende Person, es wurden auch Erkundigungen zum familiären Umfeld, zum Freundes- und Kollegenkreis u. ä. eingeholt. Konnten Delikte keinen Personen unmittelbar zugeordnet werden (z. B. Flugblätter, Losungen, anonyme Briefe), wurde ein OV gegen unbekannt eröffnet. Darin wurden die nach den Vorstellungen des MfS potenziell als Urheber in Frage kommenden Personen dahingehend überprüft, ob ihnen die "Tat" nachzuweisen war.
Häufig ging dem OV eine Operative Personenkontrolle (OPK) voraus. OV waren mit Vorschlägen zur Ahndung der nachgewiesenen Straftatverletzungen (z. B. Ermittlungsverfahren; Anwerbung; Zersetzungsmaßnahmen) bzw. bei Nicht-Bestätigung des Ausgangsverdachts durch Einstellen der Bearbeitung abzuschließen.
Karte zur Übersicht über die Verbindungen eines Amateurfunkers aus der Bundesrepublik Dokument, 1 Seite
Analyse der Struktur und Tätigkeit der US Army Field Station Berlin (USAFSB) Teufelsberg Dokument, 68 Seiten
Fotos des Geländes des Notaufnahmelagers Gießen 1 Fotografie
Bilderserie zur US Army Field Station Berlin auf dem Teufelsberg Dokument, 16 Seiten