Signatur: BStU, MfS, BV Berlin, AOP, Nr. 1224/91, Bd. 6, Bl. 35-36
Im Herbst 1988 wurden Schüler der Carl-von-Ossietzky-Schule in Berlin-Pankow der Schule verwiesen, weil sie sich offen gegen Militärparaden und Rechtsextremismus in der DDR ausgesprochen hatten. In der Folge kam es zu Solidaritätsbekundungen, die unter anderem in Form von Graffiti an Hauswand und Eingangstür der Schule zu sehen waren.
Am 30. September 1988 wurden drei Schüler und eine Schülerin der Carl-von-Ossietzky-Schule im Ost-Berliner Stadtteil Pankow der Schule verwiesen, weil sie sich offen gegen Militärparaden ausgesprochen und vor dem Rechtsextremismus in der DDR gewarnt hatten. Zwei weitere Klassenkameraden wurden an andere Schulen versetzt, zwei erhielten einen Verweis. Die Betroffenen wurden durch ein systematisches Zusammenspiel von Schule, Leitung der Freien Deutschen Jugend (FDJ) und Elternrat gemaßregelt und gedemütigt. Anders als viele ähnliche Fälle wurde dieser Vorgang jedoch öffentlich. Die sogenannte Ossietzky-Affäre schlug hohe Wellen. Der Mut der Schüler rief eine Welle der Solidarität hervor.
Am 3. November 1988 suchte die herbeigerufene Polizei den Verursacher einer Parole an der Hauswand der Schule. Die an das Schulgebäude gemalte Aufforderung "Weiterfragen!!" und ein Fragezeichen an der Eingangstür rechtfertigten für sie den Einsatz eines Spürhundes. Auf der Rückseite des Berichts ist der Verlauf der Fährte um das Schulgebäude herum eingezeichnet.
[Handschriftliche Ergänzung: K-Pankow]
Ministerrat
der Deutschen Demokratischen Republik
Ministerium des Innern
PdV - Berlin
[Handschriftliche Ergänzung: K-Pankow]
Ministerrat
der Deutschen Demokratischen Republik
Ministerium des Innern
PDVP - Berlin
Kriminaltechnik
Dienststelle
Berlin, den 03.11.1988
Bericht 405 / Pkw; Tgb.-Nr. [Auslassung]
über den Einsatz eines Fährtenhundes
Einsatzanforderung am 03.11.88 gg. 06,20 Uhr
von K-Dienst Pankow über den K-Dienst des PdVP
Abfahrt zum Tatort gg. 06,25; Ankunft gg. 06,35
Vermutliches Fährtenalter ca. 3- 10 h; Reg.-Nr. des Fährtenhundes 10742
Dauer der Fährtenarbeit von 06,40 bis 07,20; Fährtenlage ca. 250 m
Einsatzort K.-v.Ossietzsky-EOS Görschstr.43/44 in Pankow 1100 (Hauswand)
Bodenverhältnisse Mosaikpflaster,grünanl.befestigte Gehwege,gute Bodenfeuchtigkeit
Witterungsbedingungen heiter,ca.-1 C,leichter Bodenwind,s.gute Luftfeuchtigkeit.
Zustand der Tatortsicherung für Fährtenhundeeinsatz E.-Ort ist gesichert, Personenbewegung im Ansatzbereich unterbunden.
Straftat oder Vorkommnis (evtl. kurzer Sachverhalt): unbekannte Täter haben mittels weißer Farbe eine Losung an die Hauswand der EOS geschmiert.
Ansatz des Fährtenhundes und Fährtenverlauf (bzw. Schilderung der Differenzierungsarbeit mit Gegenständen oder Personen):
Der Fährtenhund wurde auf Mosaikpflaster unterhalb der Losung unmittelbar vor der Gebäudewand angesetzt. Er nahm intensiv Witterung, suchte erst zur Eingangstür kreiste hier kurz und suchte dann zum Zugang zur Görschstr. hinunter. Gleich darauf kehrte er um kreiste nochmal kurz und suchte dann erst zögernd, nachdem er an der Losung vorbei war [durchgestrichen: und] suchte er dann zügig über die Grünanlage in südlicher Richtung bis zum Schulhofzugang, bog hier sofort in östlicher Richtung ein und suchte dann zügig im Bogen über den Schulhof zum Hausdurchgang an der Hilfsschule, dort hindurch und weiter den Weg zur Neuen Schönholzerstr. folgend zum Gehweg hinaus. Hier auf den befestigten Gehweg kreiste er kurz und suchte dann sofort zügig in südl.Richtung bis in Höhe des Hinteren Tores vom Lager GHG-OGS Mühlenstr.auf der westl.Gehwegseite. hier stellte er nach längerem Kreisen die Suche ein, er war trotz Unterstützung nicht zum weitersuchen zu bewegen. Er wurde dann auf die östl. Gehwegseite geführt und dort in südlicher Richtung mehrfach neu eingewiesen, er nahm jedoch keine Fährte an. auch am Zugang neben dem Gelände GHG-OGS zum Hof des Wohnblocks nahm er keine Fährte an. Er wurde dann nochmals am Zugang zu r Hilsschule auf dem Gehweg der Neuen Schönholzerstr. in nördl. Richtung neu eingewiesen. Aber auch hier nahm er keine Fährte an. Weiter Ansatzmöglichkeiten wurden nicht gefunden, deshalb mußte die Arbeit mit dem Fährtenhund abgebrochen werden.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Der Operative Vorgang (OV) war ein registrierpflichtiger Vorgang und Sammelbegriff für Einzel- bzw. Gruppenvorgänge (Registrierung, TV und ZOV). Er wurde angelegt, um im Rahmen von verdeckten, aber zum Teil auch offenen Ermittlungen gegen missliebige Personen vorgehen zu können (Anweisung 14/52 vom 10.9.1952: Vorgangsordnung; 1976 durch Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" neu geregelt).
Ausgangspunkt des OV waren zumeist Hinweise auf, aus MfS-Sicht, strafrechtlich relevante Tatbestände (in der Regel Verstöße gegen die in der DDR geltenden politischen Normen), die es zu überprüfen galt. Bestandteil der nach einem klaren Abfolgeprinzip zu erstellenden OV waren "Maßnahmepläne" und ggf. in ihnen enthaltene Maßnahmen der Zersetzung, die vor allem dann zur Anwendung gelangten, wenn eine Inhaftierung aus taktischen Erwägungen als nicht opportun galt.
Im OV ermittelte das MfS nicht nur gegen die betreffende Person, es wurden auch Erkundigungen zum familiären Umfeld, zum Freundes- und Kollegenkreis u. ä. eingeholt. Konnten Delikte keinen Personen unmittelbar zugeordnet werden (z. B. Flugblätter, Losungen, anonyme Briefe), wurde ein OV gegen unbekannt eröffnet. Darin wurden die nach den Vorstellungen des MfS potenziell als Urheber in Frage kommenden Personen dahingehend überprüft, ob ihnen die "Tat" nachzuweisen war.
Häufig ging dem OV eine Operative Personenkontrolle (OPK) voraus. OV waren mit Vorschlägen zur Ahndung der nachgewiesenen Straftatverletzungen (z. B. Ermittlungsverfahren; Anwerbung; Zersetzungsmaßnahmen) bzw. bei Nicht-Bestätigung des Ausgangsverdachts durch Einstellen der Bearbeitung abzuschließen.
Signatur: BStU, MfS, BV Berlin, AOP, Nr. 1224/91, Bd. 6, Bl. 35-36
Im Herbst 1988 wurden Schüler der Carl-von-Ossietzky-Schule in Berlin-Pankow der Schule verwiesen, weil sie sich offen gegen Militärparaden und Rechtsextremismus in der DDR ausgesprochen hatten. In der Folge kam es zu Solidaritätsbekundungen, die unter anderem in Form von Graffiti an Hauswand und Eingangstür der Schule zu sehen waren.
Am 30. September 1988 wurden drei Schüler und eine Schülerin der Carl-von-Ossietzky-Schule im Ost-Berliner Stadtteil Pankow der Schule verwiesen, weil sie sich offen gegen Militärparaden ausgesprochen und vor dem Rechtsextremismus in der DDR gewarnt hatten. Zwei weitere Klassenkameraden wurden an andere Schulen versetzt, zwei erhielten einen Verweis. Die Betroffenen wurden durch ein systematisches Zusammenspiel von Schule, Leitung der Freien Deutschen Jugend (FDJ) und Elternrat gemaßregelt und gedemütigt. Anders als viele ähnliche Fälle wurde dieser Vorgang jedoch öffentlich. Die sogenannte Ossietzky-Affäre schlug hohe Wellen. Der Mut der Schüler rief eine Welle der Solidarität hervor.
Am 3. November 1988 suchte die herbeigerufene Polizei den Verursacher einer Parole an der Hauswand der Schule. Die an das Schulgebäude gemalte Aufforderung "Weiterfragen!!" und ein Fragezeichen an der Eingangstür rechtfertigten für sie den Einsatz eines Spürhundes. Auf der Rückseite des Berichts ist der Verlauf der Fährte um das Schulgebäude herum eingezeichnet.
[Skizze zum Fährtenverlauf des Frährtenhundes um das Schulgebäude der Carl-von-Ossietzky-Schule]
[Legende zur Skizze: A = Fährtenansatz; E = Fährtenende; --- = Färhtenverlauf; FH= Führerhilfe]
[Skizze mit westlich liegender K.-v. Ossietzky-EOS an der Görschstraße.43/44. Hier beginnt der Fährtenansatz. Der Fährtenverlauf führt über den Schulhof hinter der Schule bis zur Hilfsschule auf östlicher Seite zur N. Schönholzerstr., wo die Hilfsschule liegt. Auf der der gegenüberliegende Seite befinden sich die Lagerhallen der OGS. Die N. Schönholzerstr. und die Görschstraße führen beide südlich auf die Florastr.]
Durch die Fährtenarbeit wurden
a) als Täter festgestellt:
b) weitere Beweismittel gesichert (bzw. Hinweise für Täterermittlung gegeben):
Bemerkungen:
[Unterschrift]
Kreide,
Krim.-Omstr.
Unterschrift und Dienstgrad des Fahrtenhundeführers
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Inszenierte fiktive Sachverhalte und Vorwände, die bei bestimmten Personen gewünschte Verhaltensweisen auslösen und/oder das MfS in die Lage versetzen sollten, an bestimmte Informationen zu gelangen, wobei der nachrichtendienstliche Hintergrund der Vorgänge unerkannt bleiben sollte. Die Legende sollte glaubwürdig sein und auf realen, überprüfbaren Gegebenheiten beruhen. Je nach operativer Zielsetzung gab es die Reise-, Ermittlungs-, Gesprächs-, Kontakt-, Ausweich- und Rückzugslegenden.
Der Operative Vorgang (OV) war ein registrierpflichtiger Vorgang und Sammelbegriff für Einzel- bzw. Gruppenvorgänge (Registrierung, TV und ZOV). Er wurde angelegt, um im Rahmen von verdeckten, aber zum Teil auch offenen Ermittlungen gegen missliebige Personen vorgehen zu können (Anweisung 14/52 vom 10.9.1952: Vorgangsordnung; 1976 durch Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" neu geregelt).
Ausgangspunkt des OV waren zumeist Hinweise auf, aus MfS-Sicht, strafrechtlich relevante Tatbestände (in der Regel Verstöße gegen die in der DDR geltenden politischen Normen), die es zu überprüfen galt. Bestandteil der nach einem klaren Abfolgeprinzip zu erstellenden OV waren "Maßnahmepläne" und ggf. in ihnen enthaltene Maßnahmen der Zersetzung, die vor allem dann zur Anwendung gelangten, wenn eine Inhaftierung aus taktischen Erwägungen als nicht opportun galt.
Im OV ermittelte das MfS nicht nur gegen die betreffende Person, es wurden auch Erkundigungen zum familiären Umfeld, zum Freundes- und Kollegenkreis u. ä. eingeholt. Konnten Delikte keinen Personen unmittelbar zugeordnet werden (z. B. Flugblätter, Losungen, anonyme Briefe), wurde ein OV gegen unbekannt eröffnet. Darin wurden die nach den Vorstellungen des MfS potenziell als Urheber in Frage kommenden Personen dahingehend überprüft, ob ihnen die "Tat" nachzuweisen war.
Häufig ging dem OV eine Operative Personenkontrolle (OPK) voraus. OV waren mit Vorschlägen zur Ahndung der nachgewiesenen Straftatverletzungen (z. B. Ermittlungsverfahren; Anwerbung; Zersetzungsmaßnahmen) bzw. bei Nicht-Bestätigung des Ausgangsverdachts durch Einstellen der Bearbeitung abzuschließen.
Fotos von Parolen an der Carl-von-Ossietzky-Schule 1 Fotografie
Überwachung der Carl-von-Ossietzky-Schule Dokument, 1 Seite
Meldung der KD Pankow über eine Unterschriftensammlung in der EOS "Carl von Ossietzky" Dokument, 1 Seite
Bericht des IM "Ilona" zu den Aushängen in der Carl-von-Ossietzky-Schule Dokument, 3 Seiten