Signatur: BStU, MfS, BV Karl-Marx-Stadt, Abt. XX, Nr. 301, Bl. 1-74
Die Bezirksverwaltung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in Karl-Marx-Stadt dokumentierte die Ereignisse in ihrem Bezirk während des Volksaufstands vom 17. Juni 1953. Im Vergleich zu anderen Bezirken verzeichnete die Staatssicherheit hier weitaus weniger Streiks und Demonstrationen.
Vom 16. bis 21. Juni 1953 kam es in fast 700 Städten und Gemeinden der DDR zu Demonstrationen und Streiks. Begann der 17. Juni noch als Arbeiteraufstand, entwickelte er sich schnell zum Volksaufstand weiter. Er nahm vielerorts revolutionäre Züge an, bevor er mit Hilfe von russischen Panzern unterdrückt wurde. SED und Stasi bezeichneten die Vorkommnisse offiziell als einen vom westlichen Ausland gesteuerten "Putschversuch faschistischer Agenten und Provokateure".
Während in anderen Regionen in Sachsen hunderte Betriebe bestreikt wurden, kam es im Bezirk Karl-Marx-Stadt am 17. Juni 1953 zu weitaus weniger Streiks und Demonstrationen. Dabei war es bereits Ende Mai in der Stadt zu mehreren Streiks in größeren Betrieben gekommen, die bis zum 15. Juni immer wieder in unterschiedlicher Intensität aufflammten. So legte am 1. Juni im VEB NAGEMA ein Viertel der 1.600 Beschäftigten für acht Stunden die Arbeit nieder. Diesem Streik schlossen sich am 2. Juni 120 und am 3. Juni 150 Arbeiter des Schleifmaschinenwerks an, die für etwa zwei Stunden die Arbeit ruhen ließen.
Am 17. Juni kam es schließlich in den Betrieben VEB Vereinigte Gießereien, VEB Textima, Büromaschinenwerk und im VEB Schleifmaschinenbau zu Streiks. Im Stadtgebiet verteilten Protestierende Flugblätter und brachten Parolen an Häuserwänden an, die zum Sturz der Regierung aufriefen. Weitere Forderungen der Streikbewegung waren neben der Rücknahme der Normenerhöhung freie Wahlen, eine Freilassung politischer Häftlinge und die Rückkehr sämtlicher noch in Gefangenschaft befindlicher Kriegsgefangener.
Die Streiks der vergangenen Wochen hatte die SED-Bezirksleitung in Karl-Marx-Stadt jedoch wachsam gemacht. Im Gegensatz zu den Funktionären anderer Städte hatte sie sich auf eventuelle Streiks und Unruhen vorbereitet und konnte größere Proteste schon im Ansatz vereiteln. In der Zeit vom 16. bis 25. Juni wurden im Bezirk Karl-Marx-Stadt 34 Personen festgenommen. Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt zeigten ihren Unmut deshalb erst zehn Tage später. Als die SED die Bevölkerung von Karl-Marx-Stadt zu einer Kundgebung auf den Marktplatz beorderte, kamen statt der üblichen 75.000 bis 100.000 lediglich 3.000 Personen, die daran teilnahmen. Als die SED-Funktionäre die Erschienenen aufforderten, sich in bereitliegende Listen einzutragen und so nachvollziehbar zu machen, wer ferngeblieben war, weigerten sich die Bürgerinnen und Bürger.
Trotzdem zeigte sich die Bezirksverwaltung der Stasi in der vorliegenden Analyse der Vorkommnisse zufrieden: "Alle vorgekommenen Streik-, Flugblatt- und Schmieraktionen blieben isoliert. Eine terroristische Tätigkeit, Sabotage größerer Art oder Demonstrationen fanden nicht statt."
Regierung der Deutschen Demokratischen Republik
Ministerium für Staatssicherheit
Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt
- Leitung -
Karl-Marx-Stadt, den 24.06.1953
An das
Ministerium für Staatssicherheit
Einsatzleitung
Berlin - Lichtenberg
Analyse über die Entwicklung und. Auswirkungen der faschistischen Provokationen vom 16. - 24.06.1953 im Bezirk Karl-Marx-Stadt
Im allgemeinen ist festzustellen, daß der inszenierte und niederträchtige Anschlag von den geschworenen Feinden auf die DDR im engsten Zusammenhang steht mit der nationalen und internationalen politischen Lage.
Durch die großen Erfolge des Friedenslagers einerseits und dem Verschärfen der Widersprüche im kapitalistisch-imperialistischen Lager andererseits, sind die Kräfte der Reaktion und des Krieges in eine schwierige Situation gedrängt worden.
Die Beschlüsse der Regierung der DDR vom 11.06.53 zur Stärkung der DDR, den Kampf um die nationale Einheit und Unabhängigkeit zu fördern und die Lebenslage der Bevölkerung entscheidend zu verbessern usw., schufen für die Kriegstreiber eine noch schwierigere Lage.
Sie versuchten mit Gewalt die Bestrebungen der Partei und der Regierung der DDR zu durchkreuzen, mittels ihrer Geheimdienste und gedungenen Verbrecher, indem sie sich auf einige Teile der :Bevölkerung stützten, die durch die Folgen unserer Politik unzufrieden waren. Sie stießen dabei auf den Widerstand eines Teils der Bevölkerung, den geschlossenen Widerstand der Partei und des Staatsapparates.
Im besonderen ist für den Bezirk Karl-Marx-Stadt charakteristisch, daß es im Wesentlichen ruhig blieb und es keine Ausschreitungen, Streikbewegungen oder Provokationen größerer Art gab. Es bildeten sich zwei Schwerpunkte heraus, einmal in Freiberg, wo ca. 1.300 streikende Bauarbeiter und zum anderen in Werdau, wo rund 1.500 streikende Metallarbeiter zu verzeichnen waren. Die Forderungen waren anfangs ökonomischer Art und schlugen in politische um. Diese Aktionen des Klassenfeindes in den beiden Kreisen sind von außen hineingetragen worden. In Werdau durch die Bergarbeiter von Gera und in Freiberg durch das angrenzende Dresden. Weiterhin hat der Rias beim Entstehen der Situation auf die schwankenden und feindlich eingestellten Kräfte gewirkt. Alle vorgekommenen Streik-, Flugblatt- und Schmieraktionen blieben isoliert. Eine terroristische Tätigkeit, Sabotageakte größerer Art oder Demonstrationen fanden nicht statt. Die Bourgeoisie trat nicht offiziell in Erscheinung.
[Dieser Absatz wurde handschriftlich markiert.]
Folgende Faktoren hatten Einfluß auf die verhältnismäßig gute Situation: a) Die aktive Hilfe der Freunde, b) die Initiative der Partei, c) die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung.
Nachfolgend die Lage der Abteilungen im einzelnen.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
In den ersten Jahren stand das MfS unter einer engen fachlichen und politischen Anleitung durch die sowjetische Staatssicherheit, die mit sog. Beratern (anfangs auch Instrukteure genannt) in den wichtigsten Diensteinheiten des MfS präsent war. Die Berater besaßen dort faktisch Weisungs- und Vetobefugnisse.
Zunächst waren die Berater den jeweiligen Fachabteilungen des sowjetischen Geheimdienstapparates in der DDR zugeordnet. Nach dem Juniaufstand 1953 wurde eine eigene Beraterabteilung gebildet. Der Bevollmächtigte des sowjetischen Sicherheitsorgans in Berlin-Karlshorst war gleichzeitig der oberste Chefberater des MfS. Er leitete den jeweiligen Leiter der DDR-Staatssicherheit persönlich an.
Zum Zeitpunkt seiner Auflösung im November 1958 zählte der Beraterapparat 76 Offiziere. Später verblieb lediglich ein Stab von Verbindungsoffizieren, die keine Weisungskompetenz mehr gegenüber dem MfS besaßen.
Signatur: BStU, MfS, BV Karl-Marx-Stadt, Abt. XX, Nr. 301, Bl. 1-74
Die Bezirksverwaltung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in Karl-Marx-Stadt dokumentierte die Ereignisse in ihrem Bezirk während des Volksaufstands vom 17. Juni 1953. Im Vergleich zu anderen Bezirken verzeichnete die Staatssicherheit hier weitaus weniger Streiks und Demonstrationen.
Vom 16. bis 21. Juni 1953 kam es in fast 700 Städten und Gemeinden der DDR zu Demonstrationen und Streiks. Begann der 17. Juni noch als Arbeiteraufstand, entwickelte er sich schnell zum Volksaufstand weiter. Er nahm vielerorts revolutionäre Züge an, bevor er mit Hilfe von russischen Panzern unterdrückt wurde. SED und Stasi bezeichneten die Vorkommnisse offiziell als einen vom westlichen Ausland gesteuerten "Putschversuch faschistischer Agenten und Provokateure".
Während in anderen Regionen in Sachsen hunderte Betriebe bestreikt wurden, kam es im Bezirk Karl-Marx-Stadt am 17. Juni 1953 zu weitaus weniger Streiks und Demonstrationen. Dabei war es bereits Ende Mai in der Stadt zu mehreren Streiks in größeren Betrieben gekommen, die bis zum 15. Juni immer wieder in unterschiedlicher Intensität aufflammten. So legte am 1. Juni im VEB NAGEMA ein Viertel der 1.600 Beschäftigten für acht Stunden die Arbeit nieder. Diesem Streik schlossen sich am 2. Juni 120 und am 3. Juni 150 Arbeiter des Schleifmaschinenwerks an, die für etwa zwei Stunden die Arbeit ruhen ließen.
Am 17. Juni kam es schließlich in den Betrieben VEB Vereinigte Gießereien, VEB Textima, Büromaschinenwerk und im VEB Schleifmaschinenbau zu Streiks. Im Stadtgebiet verteilten Protestierende Flugblätter und brachten Parolen an Häuserwänden an, die zum Sturz der Regierung aufriefen. Weitere Forderungen der Streikbewegung waren neben der Rücknahme der Normenerhöhung freie Wahlen, eine Freilassung politischer Häftlinge und die Rückkehr sämtlicher noch in Gefangenschaft befindlicher Kriegsgefangener.
Die Streiks der vergangenen Wochen hatte die SED-Bezirksleitung in Karl-Marx-Stadt jedoch wachsam gemacht. Im Gegensatz zu den Funktionären anderer Städte hatte sie sich auf eventuelle Streiks und Unruhen vorbereitet und konnte größere Proteste schon im Ansatz vereiteln. In der Zeit vom 16. bis 25. Juni wurden im Bezirk Karl-Marx-Stadt 34 Personen festgenommen. Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt zeigten ihren Unmut deshalb erst zehn Tage später. Als die SED die Bevölkerung von Karl-Marx-Stadt zu einer Kundgebung auf den Marktplatz beorderte, kamen statt der üblichen 75.000 bis 100.000 lediglich 3.000 Personen, die daran teilnahmen. Als die SED-Funktionäre die Erschienenen aufforderten, sich in bereitliegende Listen einzutragen und so nachvollziehbar zu machen, wer ferngeblieben war, weigerten sich die Bürgerinnen und Bürger.
Trotzdem zeigte sich die Bezirksverwaltung der Stasi in der vorliegenden Analyse der Vorkommnisse zufrieden: "Alle vorgekommenen Streik-, Flugblatt- und Schmieraktionen blieben isoliert. Eine terroristische Tätigkeit, Sabotage größerer Art oder Demonstrationen fanden nicht statt."
Karl-Marx-Stadt, den 24.06.1953
Analyse
der Ereignisse im Bereich der BZV Karl-Marx-Stadt
vom 16.06. - 24.06.1953
Abteilung III
Bezirksverwaltung Stadt und Kreis Karl-Marx-Stadt
Bereits am 01.06.53 ging ein Streik wegen Normenerhöhung lt. Ministerratsbeschluß im VEB Nagema, Karl-Marx-Stadt, voraus. Die Gesamtbelegschaftsstärke umfaßt 1.600 Personen. An diesem Streik waren 400 Personen 8 Stunden lang beteiligt.
Darauf folgte am 02.06.53 im VEB Schleifmaschinenwerk I, Karl-Marx-Stadt, eine Arbeitsniederlegung bei Schichtbeginn von 6.00 bis 7.00 Uhr, an dem 120 Personen beteiligt waren.
Einen Tag später, am 03.06.53, nahm wiederum eine Schicht ihre Arbeit wegen Normenerhöhung nicht auf und ging erst nach 2 Std. in die Produktion. Daran waren 150 Arbeiter beteiligt.
In diesen Tagen gingen 3 anonyme Schreiben bei der SED-Kreisleitung Karl-Marx-Stadt, in der SAG Marten und in obenangegebenem Betrieb Nagema ein, die sinngemäß beinhalten, daß der Streik in der Nagema beispielgebend war für weitere Betriebe. Umfangreiche Schriftenvergleiche und auch Agenturarbeit verliefen erfolglos.
Am 15.06.53 legten 60 Arbeiter des Treuhandbetriebes Neubert in Neukirchen die Arbeit nieder. Anlaß dazu war, daß die Arbeiter Aufklärung verlangten, ob ihr ehem. Chef, der aufgrund das Regierungserlasses aus der Haft entlassen worden war, sein Werk wieder zurückerhält. Nach erfolgter Aussprache wurde die Arbeit nach 1:2-ständiger Unterbrechung wieder aufgenommen. Die Arbeiter bestanden aber weiterhin auf Einsetzung des alten Chefs.
Nach diesem Vorfall am 15.06.53 trat allgemeine Ruhe ein.
Erst am 17.06. fand die nächste Arbeitsniederlegung im VEB Vereinigte Gießereien von 9-11 Uhr wegen Normenerhöhung statt.
Ca. um die gleiche Zeit am 17.6. fand auch in VEB Textima Spinn-und Zwirnereimaschinenbau eine 2-stündige Arbeitsniederlegung mit 200 Personen wegen Normenerhöhung statt.
Das Gleiche war im Büromaschinenwerk I (früher Wanderer-Werke) zu verzeichnen, wo die Arbeitsniederlegung 200 Personen umfaßte und 472 Std. andauerte. Der Grund war gleichfalls Normenerhöbung und Wiedereinsetzung eines abgesetzten Abteilungsleiters, der falsche Angaben in der Fertigung gemacht hatte.
Abteilung III (Funkaufklärung)
1971 aus dem Bereich III entstanden; 1983 mit der Abt. Funkabwehr zur Hauptabteilung III zusammengelegt.
Aufgaben: Funkaufklärung im Rahmen der elektronischen Kampfführung (EloKa) durch Erfassen und Analyse der Funkfrequenzen und -netze bis hin zum Satellitenfunk vor allem in der Bundesrepublik Deutschland und der NATO sowie Eindringen in diese Kommunikationsverbindungen zur Informationsgewinnung und Verhinderung des gegnerischen Eindringens in die Nachrichtenverbindungen der DDR.
Abteilung III (Funkaufklärung)
1971 aus dem Bereich III entstanden; 1983 mit der Abt. Funkabwehr zur Hauptabteilung III zusammengelegt.
Aufgaben: Funkaufklärung im Rahmen der elektronischen Kampfführung (EloKa) durch Erfassen und Analyse der Funkfrequenzen und -netze bis hin zum Satellitenfunk vor allem in der Bundesrepublik Deutschland und der NATO sowie Eindringen in diese Kommunikationsverbindungen zur Informationsgewinnung und Verhinderung des gegnerischen Eindringens in die Nachrichtenverbindungen der DDR.
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Signatur: BStU, MfS, BV Karl-Marx-Stadt, Abt. XX, Nr. 301, Bl. 1-74
Die Bezirksverwaltung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in Karl-Marx-Stadt dokumentierte die Ereignisse in ihrem Bezirk während des Volksaufstands vom 17. Juni 1953. Im Vergleich zu anderen Bezirken verzeichnete die Staatssicherheit hier weitaus weniger Streiks und Demonstrationen.
Vom 16. bis 21. Juni 1953 kam es in fast 700 Städten und Gemeinden der DDR zu Demonstrationen und Streiks. Begann der 17. Juni noch als Arbeiteraufstand, entwickelte er sich schnell zum Volksaufstand weiter. Er nahm vielerorts revolutionäre Züge an, bevor er mit Hilfe von russischen Panzern unterdrückt wurde. SED und Stasi bezeichneten die Vorkommnisse offiziell als einen vom westlichen Ausland gesteuerten "Putschversuch faschistischer Agenten und Provokateure".
Während in anderen Regionen in Sachsen hunderte Betriebe bestreikt wurden, kam es im Bezirk Karl-Marx-Stadt am 17. Juni 1953 zu weitaus weniger Streiks und Demonstrationen. Dabei war es bereits Ende Mai in der Stadt zu mehreren Streiks in größeren Betrieben gekommen, die bis zum 15. Juni immer wieder in unterschiedlicher Intensität aufflammten. So legte am 1. Juni im VEB NAGEMA ein Viertel der 1.600 Beschäftigten für acht Stunden die Arbeit nieder. Diesem Streik schlossen sich am 2. Juni 120 und am 3. Juni 150 Arbeiter des Schleifmaschinenwerks an, die für etwa zwei Stunden die Arbeit ruhen ließen.
Am 17. Juni kam es schließlich in den Betrieben VEB Vereinigte Gießereien, VEB Textima, Büromaschinenwerk und im VEB Schleifmaschinenbau zu Streiks. Im Stadtgebiet verteilten Protestierende Flugblätter und brachten Parolen an Häuserwänden an, die zum Sturz der Regierung aufriefen. Weitere Forderungen der Streikbewegung waren neben der Rücknahme der Normenerhöhung freie Wahlen, eine Freilassung politischer Häftlinge und die Rückkehr sämtlicher noch in Gefangenschaft befindlicher Kriegsgefangener.
Die Streiks der vergangenen Wochen hatte die SED-Bezirksleitung in Karl-Marx-Stadt jedoch wachsam gemacht. Im Gegensatz zu den Funktionären anderer Städte hatte sie sich auf eventuelle Streiks und Unruhen vorbereitet und konnte größere Proteste schon im Ansatz vereiteln. In der Zeit vom 16. bis 25. Juni wurden im Bezirk Karl-Marx-Stadt 34 Personen festgenommen. Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt zeigten ihren Unmut deshalb erst zehn Tage später. Als die SED die Bevölkerung von Karl-Marx-Stadt zu einer Kundgebung auf den Marktplatz beorderte, kamen statt der üblichen 75.000 bis 100.000 lediglich 3.000 Personen, die daran teilnahmen. Als die SED-Funktionäre die Erschienenen aufforderten, sich in bereitliegende Listen einzutragen und so nachvollziehbar zu machen, wer ferngeblieben war, weigerten sich die Bürgerinnen und Bürger.
Trotzdem zeigte sich die Bezirksverwaltung der Stasi in der vorliegenden Analyse der Vorkommnisse zufrieden: "Alle vorgekommenen Streik-, Flugblatt- und Schmieraktionen blieben isoliert. Eine terroristische Tätigkeit, Sabotage größerer Art oder Demonstrationen fanden nicht statt."
Im VEB Trikotagenwerk Limbach wurde am 17.06. die Arbeit gleichfalls wegen Normenerhöhung auf 2 1/2 Std. niedergelegt. Gleichzeitig wurde dort die Seite einer westdeutschen Zeitschrift mit hetzerischem Inhalt an der Wandzeitung des Betriebes festgestellt.
Wiederum am 17.06. wurde im Kraftwerk Karl-Marx-Stadt ein anonymer Zettel mit der Aufforderung zum Solidaritätsstreik für die berliner Arbeiter vorgefunden.
Am 18.06. war im Kreis keine offensichtliche Feindarbeit bemerkbar.
Am 19.06. wurden im FEWA- Werk Karl-Marx-Stadt vereinzelte, angeschriebene Hetzparolen festgestellt. Das Gleiche wiederholte sich in derselben Firma am 20.06.
Am 21. und 22.06. war wiederum keine offensichtliche Feindarbeit bemerkbar.
Am 23.6. brachen 25 Arbeiter der Baufirma Gerstenberger & Köhler, Sitz Dresden, ihre Arbeit ab und gingen nachhause, weil der Unternehmer keinen Lohn ausgezahlt hatte. Dieses entstand dadurch, daß die Deutsche Notenbank erst am nächsten Tage, also am 24.06., die Lohngelder an die Firma zur Auszahlung brachte. Da die Firma bei der Reichsbahn eingesetzt ist und auch von dort betreut wird, erfolgt die Bearbeitung des Vorgangs durch die Abteilung XIII und ist hier nur informatorisch vermerkt.
Gleichfalls wurden am 23.06. im
VEB RFT-Gerätewerk, Karl-Marx-Stadt, und
VEB TEWA Sächs. Schrauben- und Mutternfabrik, Karl-Marx-Stadt,
die sogenannten Gedenkminuten für gefallene berliner Provokateure durchgeführt. Im RFT-Gerätewerk sind daran ca. 200 Personen beteiligt, wovon aber ein Teil über den wirklichen Sinn der Gedenkminute zur Zeit der Durchführung noch nicht orientiert war. Ihnen wurde erst hinterher durch die Aufklärung der Agitatoren klar, welcher Sinn damit verfolgt wurde.
Im VEB TEWA waren an den Gedenkminuten ca. 35 Personen beteiligt.
Aus dem VEB Spinn- und Zwirnereimaschinenbau wurde uns am 23.06. eine Person bekannt, welche Rias-Parolen verbreitet, sich im allgemeinen sehr zweifelhaft benimmt, aus Jugoslawien stammt und die Eltern noch dort wohnhaft hat. Diese Person hat bereits vor dem 17.06. die Bilder unserer Regierungsfunktionäre aus seiner Abteilung entfernt und hat auch zu dieser Zeit schon auf einen sogenannten Umschwung in der DDR hin propagiert.
Die obenangeführten Fälle werden operativ bearbeitet. Gute Erfolge sind in allen Fällen der sogenannten Gedenkminuten sowie der verdächtigten Person aus dem Spinn- und Zwirnereimaschinenbau zu verzeichnen, so daß in allernächster Zeit mit der Festnahme oder evtl. Werbung gerechnet werden kann.
Zu Ausschreitungen, Tätlichkeiten, Demonstrationen oder anderen Vorkommnissen ist es im gesamten Kreis Karl-Marx-Stadt nicht gekommen und die Lage war der Struktur angemessen sehr ruhig.
Auf dem Sektor der Landwirtschaft sind keinerlei Vorkommnisse aufgetreten.
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
1972 entstanden aus der AG XIII. Aufgaben: Realisierung von Datenverarbeitungsprojekten anderer Diensteinheiten des MfS sowie deren Entwicklung, Betreuung und Wartung; besondere Aufmerksamkeit galt hierbei der Software sowie der EDV-Technik.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Fernschreiben der Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt zu verhinderten Streikaktionen Dokument, 1 Seite
Meldung einer Arbeitsniederlegung in Freiberg Dokument, 1 Seite
Aufhebung des Ausnahmezustands in Karl-Marx-Stadt Dokument, 1 Seite
Meldung zu erneuten Streiks im Bezirk Karl-Marx-Stadt Dokument, 4 Seiten