Signatur: BArch, MfS, HA VII, Fo, Nr. 17, Bild 148-193
Die Foto-Dokumentation zeigt Mitarbeiter des MfS oder des Wachregiments des MfS bei einer Übung von Operationen in verstrahltem Gebiet.
Auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs bereiteten sich Behörden und Sicherheitskräfte während des Kalten Krieges auf den atomaren Ernstfall vor. Die Stasi war da keine Ausnahme. Die Geheimpolizei sollte auch nach einem Atomkrieg handlungsfähig sein und die innere Sicherheit der DDR gewährleisten. Von "Ausweichobjekten" und "Ausweichführungsobjekten" aus, für die Stasi eingerichteten Bunkeranlagen, sollten die Offiziere Spionage verhindern und "feindliche Kräfte im Innern der DDR" bekämpfen.
Dazu übten die Mitarbeiter des MfS regelmäßig, wie sie sich in verstrahltem Gelände sicher bewegen und dort ihre Aufgaben ausführen konnten. Die vorliegende Bilderserie zeigt eine solche Ausbildung. Die Stasi-Mitarbeiter üben das Anlegen und Tragen von ABC-Schutzanzügen, die Dekontamination von verstrahlten Waffen und Ausrüstungsgegenständen sowie die Messung der radioaktiven Belastung im Gelände.
Die Abbildung zeigt zwei Angehörige des MfS vor einem Waldrand. Beide Personen tragen eine ABC-Schutzausrüstung, bestehend aus Schutzanzug und Schutzmaske. Eine der beiden Personen hat die Arme seitlich ausgestreckt und wird von der anderen Person mit einer Bürste abgewaschen. Vermutlich handelt es sich dabei um eine Übung zur Dekontamination.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Das MfS hat als ein Instrument der DDR, insbesondere der SED-Führung, die politischen Interessen des Staates inoffiziell in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Die Westarbeit des MfS bestand aus Spionageaktivitäten, also der nachrichtendienstlichen Beschaffung von Informationen, Patenten, Verfahren und Mustern durch das MfS.
Die Bezeichnungen Westarbeit und Spionage meinen in diesem Kontext das, was beim MfS mit "operative Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" bezeichnet wird. Im engeren Sinne also die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im "Operationsgebiet", bei dem es sich überwiegend um die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin handelte, aber auch die in der NATO und der Europäischen Gemeinschaft verbundenen Staaten einschloss.
Im weiteren Sinne fallen darunter auch die Funkaufklärung und der Einsatz von Offizieren im besonderen Einsatz in Botschaften, Konsulaten usw. Erfolgte diese operative Arbeit bis Anfang der 70er Jahre wesentlich "illegal", ergaben sich mit der zunehmenden Anerkennung der DDR auch verstärkt "legale" Zugänge über die Einrichtung von Botschaften, von denen aus das MfS mit "legal abgedeckten Residenturen" arbeiten konnte.
Für die Beschaffung von wissenschaftlich-technischen, politischen und militärischen Informationen war vor allem die Hauptverwaltung A zuständig, aber nahezu gleichrangig zahlreiche Abwehrdiensteinheiten des MfS. Die Hauptabteilung I, in der DDR für die Absicherung des Militärkomplexes verantwortlich, erkundete auch die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz, den Zollgrenzdienst, die Bayerische Grenzpolizei und diverse Einrichtungen der NATO.
Die Hauptabteilung II, mit der "offensiven Abwehr" ausländischer Nachrichtendienste in der DDR befasst, arbeitete zeitweise auch gegen den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz sowie den Militärischen Abschirmdienst. Die Hauptabteilung VI überwachte neben dem Ein-, Ausreise- und Transitverkehr in der DDR auch den über innerdeutsche Grenzen hinaus von und nach Westberlin.
Die Hauptabteilung VII unterhielt im "Operationsgebiet" ebenfalls ein Netz, das im klassischen Sinne kriminelle Aktivitäten wie Schmuggel aufzuklären hatte. Die Hauptabteilung VIII war für Ermittlungen und Beobachtungen zuständig. Zugleich war sie Servicediensteinheit für alle Diensteinheiten des MfS, indem sie den Informationsbedarf über Bundesbürger bediente.
Neben der Sicherungsarbeit in den Bereichen Staatsapparat, Blockparteien und "politischer Untergrundtätigkeit" war die Hauptabteilung XX im "Operationsgebiet" für alle Einrichtungen zuständig, die sich mit der DDR befassten. Im Visier der Hauptabteilung XXII standen links- und rechtsextremistische, überwiegend terroristische Gruppen.
Schließlich wäre auf Hauptabteilungsebene noch die Zentrale Kontrollgruppe anzuführen, die sich mit besonders DDR-kritischen Gruppen befasste, wie z. B. der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder den Fluchthilfeorganisationen. Mit der Westarbeit waren nicht allein die zentralen Abwehrdiensteinheiten befasst, sondern ihre Linien (Linienprinzip) erstreckten sich meist auch auf Bezirks- und im Einzelfall auf Kreisverwaltungsebene des MfS.
In den Kontext der Westarbeit sind auch die etwa 400 Entführungen von Bürgern aus der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin zu zählen sowie vereinzelte Versuche und Erwägungen, Bürger zu töten, wobei bislang ein Mord nicht nachgewiesen ist. Das MfS selbst verstand unter der "Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" die "Gesamtheit der politisch-operativen Kräfte des MfS im Operationsgebiet und die Nutzung solcher Personen aus dem Operationsgebiet, die zur Erfüllung operativer Aufgaben geeignet sind".
Die HV A und ihre Abteilungen XV in den Bezirksverwaltungen arbeiteten nach Schwerpunkten im "Operationsgebiet", ihre innere Struktur drückte die entsprechende Interessenlage aus.
Demnach konzentrierte sich die Abt. I auf Politik und strategische Absichten der Bundesregierung, die Abt. II auf die Parteien, Gewerkschaften, Landsmannschaften im "Operationsgebiet", die Abt. III steuerte die operative Arbeit der "legal abgedeckten Residenturen" in DDR-Botschaften, Konsulaten und Handelseinrichtungen, und die Abt. IV beschäftigte sich mit den militärischen Zentren" in der Bundesrepublik Deutschland, wozu das Bundesministerium der Verteidigung, Wehrbezirkskommandos der Bundeswehr und diverse US-amerikanische Einrichtungen gehörten. Die Abt. IX befasste sich mit westlichen Nachrichtendiensten, die Abt. XI mit den USA und die Abt. XII mit der NATO.
Die Abteilungen XIII bis XV gehörten zum Sektor Wissenschaft und Technik, der systematisch Patente, Verfahren und Muster für die DDR- und osteuropäische Forschung und Wirtschaft beschaffte. Schwerpunkte waren die Fachgebiete Energie, Biologie, Chemie, Elektronik, Elektrotechnik und Maschinenbau sowie das Bemühen, die Embargopolitik zu unterlaufen. Für offizielle, mithin dienstliche Kontakte zwischen beispielsweise DDR- und bundesdeutschen Wissenschaftlern oder Politikern war eigens die Abt. XVI der HV A zuständig, die auf diesem Weg an relevante Informationen gelangen sollte.
Während all diese Abteilungen der HV A überwiegend informationsbeschaffend tätig waren, verfügte sie mit der Abt. X eigens über eine Struktureinheit, die systematisch aktive Maßnahmen in der Bundesrepublik zu entfalten suchte.
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Signatur: BArch, MfS, HA VII, Fo, Nr. 17, Bild 148-193
Die Foto-Dokumentation zeigt Mitarbeiter des MfS oder des Wachregiments des MfS bei einer Übung von Operationen in verstrahltem Gebiet.
Auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs bereiteten sich Behörden und Sicherheitskräfte während des Kalten Krieges auf den atomaren Ernstfall vor. Die Stasi war da keine Ausnahme. Die Geheimpolizei sollte auch nach einem Atomkrieg handlungsfähig sein und die innere Sicherheit der DDR gewährleisten. Von "Ausweichobjekten" und "Ausweichführungsobjekten" aus, für die Stasi eingerichteten Bunkeranlagen, sollten die Offiziere Spionage verhindern und "feindliche Kräfte im Innern der DDR" bekämpfen.
Dazu übten die Mitarbeiter des MfS regelmäßig, wie sie sich in verstrahltem Gelände sicher bewegen und dort ihre Aufgaben ausführen konnten. Die vorliegende Bilderserie zeigt eine solche Ausbildung. Die Stasi-Mitarbeiter üben das Anlegen und Tragen von ABC-Schutzanzügen, die Dekontamination von verstrahlten Waffen und Ausrüstungsgegenständen sowie die Messung der radioaktiven Belastung im Gelände.
Die Abbildung zeigt drei Angehörige des MfS in ABC-Schutzausrüstung, bestehend aus Schutzmaske und Schutzanzug. Im Hintergrund sind zudem zwei Uniformierte ohne Schutzanzug auf Streife laufend zu sehen. Das Geschehen findet auf einer großen Waldlichtung statt.
Eine der Personen im Vordergrund wäscht die anderen Personen mit einer Bürste ab. Es handelt sich dabei wahrscheinlich um eine Übung zur Dekontamination.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Das MfS hat als ein Instrument der DDR, insbesondere der SED-Führung, die politischen Interessen des Staates inoffiziell in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Die Westarbeit des MfS bestand aus Spionageaktivitäten, also der nachrichtendienstlichen Beschaffung von Informationen, Patenten, Verfahren und Mustern durch das MfS.
Die Bezeichnungen Westarbeit und Spionage meinen in diesem Kontext das, was beim MfS mit "operative Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" bezeichnet wird. Im engeren Sinne also die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im "Operationsgebiet", bei dem es sich überwiegend um die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin handelte, aber auch die in der NATO und der Europäischen Gemeinschaft verbundenen Staaten einschloss.
Im weiteren Sinne fallen darunter auch die Funkaufklärung und der Einsatz von Offizieren im besonderen Einsatz in Botschaften, Konsulaten usw. Erfolgte diese operative Arbeit bis Anfang der 70er Jahre wesentlich "illegal", ergaben sich mit der zunehmenden Anerkennung der DDR auch verstärkt "legale" Zugänge über die Einrichtung von Botschaften, von denen aus das MfS mit "legal abgedeckten Residenturen" arbeiten konnte.
Für die Beschaffung von wissenschaftlich-technischen, politischen und militärischen Informationen war vor allem die Hauptverwaltung A zuständig, aber nahezu gleichrangig zahlreiche Abwehrdiensteinheiten des MfS. Die Hauptabteilung I, in der DDR für die Absicherung des Militärkomplexes verantwortlich, erkundete auch die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz, den Zollgrenzdienst, die Bayerische Grenzpolizei und diverse Einrichtungen der NATO.
Die Hauptabteilung II, mit der "offensiven Abwehr" ausländischer Nachrichtendienste in der DDR befasst, arbeitete zeitweise auch gegen den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz sowie den Militärischen Abschirmdienst. Die Hauptabteilung VI überwachte neben dem Ein-, Ausreise- und Transitverkehr in der DDR auch den über innerdeutsche Grenzen hinaus von und nach Westberlin.
Die Hauptabteilung VII unterhielt im "Operationsgebiet" ebenfalls ein Netz, das im klassischen Sinne kriminelle Aktivitäten wie Schmuggel aufzuklären hatte. Die Hauptabteilung VIII war für Ermittlungen und Beobachtungen zuständig. Zugleich war sie Servicediensteinheit für alle Diensteinheiten des MfS, indem sie den Informationsbedarf über Bundesbürger bediente.
Neben der Sicherungsarbeit in den Bereichen Staatsapparat, Blockparteien und "politischer Untergrundtätigkeit" war die Hauptabteilung XX im "Operationsgebiet" für alle Einrichtungen zuständig, die sich mit der DDR befassten. Im Visier der Hauptabteilung XXII standen links- und rechtsextremistische, überwiegend terroristische Gruppen.
Schließlich wäre auf Hauptabteilungsebene noch die Zentrale Kontrollgruppe anzuführen, die sich mit besonders DDR-kritischen Gruppen befasste, wie z. B. der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder den Fluchthilfeorganisationen. Mit der Westarbeit waren nicht allein die zentralen Abwehrdiensteinheiten befasst, sondern ihre Linien (Linienprinzip) erstreckten sich meist auch auf Bezirks- und im Einzelfall auf Kreisverwaltungsebene des MfS.
In den Kontext der Westarbeit sind auch die etwa 400 Entführungen von Bürgern aus der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin zu zählen sowie vereinzelte Versuche und Erwägungen, Bürger zu töten, wobei bislang ein Mord nicht nachgewiesen ist. Das MfS selbst verstand unter der "Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" die "Gesamtheit der politisch-operativen Kräfte des MfS im Operationsgebiet und die Nutzung solcher Personen aus dem Operationsgebiet, die zur Erfüllung operativer Aufgaben geeignet sind".
Die HV A und ihre Abteilungen XV in den Bezirksverwaltungen arbeiteten nach Schwerpunkten im "Operationsgebiet", ihre innere Struktur drückte die entsprechende Interessenlage aus.
Demnach konzentrierte sich die Abt. I auf Politik und strategische Absichten der Bundesregierung, die Abt. II auf die Parteien, Gewerkschaften, Landsmannschaften im "Operationsgebiet", die Abt. III steuerte die operative Arbeit der "legal abgedeckten Residenturen" in DDR-Botschaften, Konsulaten und Handelseinrichtungen, und die Abt. IV beschäftigte sich mit den militärischen Zentren" in der Bundesrepublik Deutschland, wozu das Bundesministerium der Verteidigung, Wehrbezirkskommandos der Bundeswehr und diverse US-amerikanische Einrichtungen gehörten. Die Abt. IX befasste sich mit westlichen Nachrichtendiensten, die Abt. XI mit den USA und die Abt. XII mit der NATO.
Die Abteilungen XIII bis XV gehörten zum Sektor Wissenschaft und Technik, der systematisch Patente, Verfahren und Muster für die DDR- und osteuropäische Forschung und Wirtschaft beschaffte. Schwerpunkte waren die Fachgebiete Energie, Biologie, Chemie, Elektronik, Elektrotechnik und Maschinenbau sowie das Bemühen, die Embargopolitik zu unterlaufen. Für offizielle, mithin dienstliche Kontakte zwischen beispielsweise DDR- und bundesdeutschen Wissenschaftlern oder Politikern war eigens die Abt. XVI der HV A zuständig, die auf diesem Weg an relevante Informationen gelangen sollte.
Während all diese Abteilungen der HV A überwiegend informationsbeschaffend tätig waren, verfügte sie mit der Abt. X eigens über eine Struktureinheit, die systematisch aktive Maßnahmen in der Bundesrepublik zu entfalten suchte.
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Signatur: BArch, MfS, Abt. BCD, Nr. 587, Bl. 60-65
Auf das Reaktorunglück in Tschernobyl reagierte die Bundesrepublik Deutschland mit Messung nuklearer Strahlung an der Grenze. Fahrzeuge und Züge, deren Belastung festgesetzte Grenzwerte überschritt, durften nicht passieren.
Der Super-GAU im sowjetischen Kernkraftwerk Tschernobyl am 26. April 1986 war der bis dahin schwerste nukleare Unfall bei der zivilen Nutzung der Kernkraft. Die Folgen des Unglücks waren beispiellos. Die unkontrolliert entwichene Radioaktivität war immens, kannte weder Landes- noch Kontinentalgrenzen und ihre Langzeitfolgen halten bis heute an.
Wie der SED-Staat insgesamt sah sich das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) durch Tschernobyl zahlreichen Herausforderungen ausgesetzt. Unmittelbar musste der politische und ideologische Schaden für die SED-Diktatur begrenzt werden. Das Credo "Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen" wirkte nach dem Reaktorunglück hohl. Mit dem Unfall entstand über Nacht zudem eine neue sicherheitspolitische Herausforderung. Die ostdeutsche Anti-Kernkraftwerks-Bewegung, die in Opposition zu der Kernenergiepolitik, der Umweltpolitik und der Informationspolitik der SED-Partei- und DDR-Staatsführung stand, musste nun konsequent bekämpft werden.
Auch die Wirtschaft der DDR war von Schaden bedroht: Die Bundesrepublik Deutschland, ein wichtiger Abnehmer für Lebensmittel ostdeutscher Produktion, ließ aus Angst vor verstrahlter Ware Lieferungen nicht mehr ohne weiteres über die Grenze. Schon kurz nach Bekanntwerden des Unglücks beschloss die Bundesrepublik Grenzwerte für die radioaktive Belastung einreisender Fahrzeuge. PKW, LKW und Schienenfahrzeuge, bei denen höhere Belastungen gemessen wurden, durften die Grenze nicht passieren. Das erschwerte den ohnehin schon belasteten Außenhandel der DDR noch weiter – die Stasi sah sich gezwungen, aktiv zu werden.
Innerhalb kürzester Zeit wurden unmittelbar vor der Grenze Kontrollpunkte eingerichtet, an denen die Strahlenbelastung der Fahrzeuge auf dem Weg in die Bundesrepublik gemessen wurde. Wenn nötig wurden die Fahrzeuge dekontaminiert, also eilig gewaschen. Daran beteiligten sich auch Offiziere der Staatssicherheit. Das großangelegte Waschprogramm hatte unkontrollierte Folgen für die Umwelt der DDR. Eine sachgerechte Entsorgung der verstrahlten Abwässer fand oftmals nicht statt, sie flossen ohne weitere Behandlung ab. An den eingerichteten Waschplätzen dokumentierte die Geheimpolizei noch Jahre später deutlich erhöhte Strahlenwerte.
Berlin, 14. Mai 1986
Information
über das willkürliche Vorgehen der BRD-Behörden bei der Zurückweisung von Straßenfahrzeugen und Eisenbahngüterwagen an den Grenzübergängen der DDR zur BRD und die durch das Ministerium für Staatssicherheit eingeleiteten Maßnahmen zur Schadensabwendung
Im Zusammenhang mit der Havarie im Kernkraftwerk Tschernobyl setzen die BRD-Behörden seit dem 01. Mai 1986 fortgesetzt willkürliche und auf die Behinderung des grenzüberschreitenden Transitverkehrs mit der DDR und den sozialistischen Ländern ausgerichtete Maßnahmen durch. An den Straßengrenzübergangsstellen zur BRD wurden bisher
260 LKW sowie
50 PKW
aus den sozialistischen Ländern zeitweilig vom Transitverkehr ausgeschlossen und in die DDR zurückgewiesen. Die Zurückweisungen der Fahrzeuge, insbesondere der LKW, erfolgte teilweise in schikanöser, provozierender Art und Weise und im Wiederholungsfall - trotz Realisierung festgelegter Maßnahmen zur Entaktivierung - mehrfach. An den Grenzübergangsstellen der Eisenbahn beläuft sich die Zurückweisung auf
60 Güterwagen
Bekämpfung von Widerstand und Opposition umschreibt, was zwischen 1950 und 1989 als eine Kernaufgabe des MfS galt. Gegen den Willen eines Großteils der ostdeutschen Bevölkerung wurde eine Diktatur etabliert, die nicht durch Wahlen legitimiert war: Dies war einer der Gründe für die Bildung des MfS am 8.2.1950.
Um ihren gesellschaftlichen Alleinvertretungs- und Herrschaftsanspruch zu sichern, schuf sich die SED als Repressions- und polizeistaatliche Unterdrückungsinstanz das MfS - das konsequenterweise so auch offiziell von ihr als "Schild und Schwert der Partei" bezeichnet wurde. Bereits in der "Richtlinie über die Erfassung von Personen, die eine feindliche Tätigkeit durchführen und von den Organen des MfS der DDR festgestellt wurden" vom 20.9.1950 wurde dementsprechend festgelegt, dass "alle Personen" zu registrieren seien, deren Verhalten geeignet war, die "Grundlagen" der DDR in Frage zu stellen.
Ferner wurde bestimmt, dass "über Personen, die eine feindliche Tätigkeit ausüben, [...] Vorgänge" anzulegen sind und über "die erfassten Personen [...] eine zentrale Kartei" einzurichten ist. Das offensive Vorgehen gegen Regimegegner erfuhr eine Ergänzung in den gleichzeitig getroffenen Festlegungen zur Übergabe der als "feindlich" klassifizierten Personen an die Staatsanwaltschaften.
Das MfS wurde somit bei der Bekämpfung von Widerstand und Opposition zur Ermittlungsinstanz; die nachfolgenden Urteile gegen Oppositionelle und Regimekritiker ergingen in enger Kooperation mit den vom MfS zumeist vorab instruierten Gerichten und zum Schein vermeintlicher Rechtsstaatlichkeit unter Hinzuziehung von mit dem MfS häufig zusammenarbeitenden Rechtsanwälten.
Inhalte, Auftreten und Erscheinungsbild von politisch abweichendem Verhalten, Widerstand und Opposition wandelten sich im Laufe der DDR-Geschichte. Zugleich änderten sich auch die Strategien und Methoden des MfS in Abhängigkeit vom konkreten Erscheinungsbild von Protest und Widerstand, aber auch analog zum Ausbauniveau des Apparates und seines Zuträger- und Informantennetzes sowie zur jeweils getroffenen Lageeinschätzung und unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen.
Zu allen Zeiten gab es in beinahe allen Bevölkerungsgruppen und in allen Regionen Aufbegehren, Opposition und Widerstand. In den ersten Jahren nach Gründung der DDR gingen die SED und das MfS mit drakonischen Abschreckungsstrafen (u. a. Todesurteilen) gegen politische Gegner vor. Gefällt wurden die Urteile nicht selten in penibel vorbereiteten Strafprozessen mit präparierten Belastungszeugen und unter Verwendung erzwungener Geständnisse.
In mehreren Orten der DDR wurden z. B. Oberschüler (Werdau, Leipzig, Werder, Eisenfeld, Fürstenberg/Oder, Güstrow), die anknüpfend an das Vorbild der Gruppe "Weiße Rose" in der NS-Diktatur Widerstand geleistet hatte, zum Tode oder zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt, weil sie Informationen gesammelt und Flugblätter verteilt hatten. Manch einer von ihnen überlebte die Haftbedingungen nicht oder nur mit dauerhaften gesundheitlichen Schäden.
Im Laufe der 50er Jahre ging das MfS schrittweise zum verdeckten Terror über. Nach wie vor ergingen langjährige Zuchthausstrafen; politische Opponenten, die von Westberlin aus die Verhältnisse in der DDR kritisierten, wurden - wie Karl Wilhelm Fricke 1955 - in geheimen Operationen entführt, nach Ostberlin verschleppt, in MfS-Haft festgehalten und vor DDR-Gerichte gestellt (Entführung).
Das Bestreben der SED, sich in der westlichen Öffentlichkeit aufgrund dieser ungelösten Fälle und angesichts eklatanter Menschenrechtsverletzungen nicht fortlaufender Kritik ausgesetzt zu sehen, führte, begünstigt durch die Absicht, der maroden Finanz- und Wirtschaftslage mit westlicher Unterstützung beizukommen, schrittweise zu einem Wandel. Im Ergebnis kam es auch zu einer Modifikation der MfS-Strategien im Vorgehen gegenüber Widerstand und Opposition.
Neben die im Vergleich zu den 50er Jahren zwar niedrigeren, für die Betroffenen aber nach wie vor empfindlich hohen Haftstrafen traten als beabsichtigt "lautloses" Vorgehen die Strategien der Kriminalisierung und Zersetzung. In einem "Entwurf der Sektion politisch-operative Spezialdisziplin" des MfS, der auf 1978 zu datieren ist, wird hierzu ausgeführt: "Um der Behauptung des Gegners die Spitze zu nehmen, dass wir ideologische Meinungsverschiedenheiten oder Andersdenkende mit Mitteln des sogenannten politischen Strafrechts bekämpfen, sind dazu noch wirksamer Maßnahmen zur Kriminalisierung dieser Handlungen sowie nicht strafrechtliche Mittel anzuwenden."
In der Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" vom Januar 1976 wurden unter Punkt 2.6 "die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung" geregelt und unter Punkt 2.6.2 die "Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung" erörtert. Jene reichten u. a. von der "systematischen Diskreditierung des öffentlichen Rufes" auch mittels "unwahrer […] Angaben" und der "Verbreitung von Gerüchten" über das "Erzeugen von Misstrauen", dem "Vorladen von Personen zu staatlichen Dienststellen" bis zur "Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, […] Telefonanrufe".
Mit der "Ordnungswidrigkeitenverordnung" (OWVO) von 1984 ging man zudem verstärkt dazu über, politisch unliebsame Personen, sofern sie sich an Protesten beteiligten, mit Ordnungsstrafen zu überziehen und sie somit materiell unter Druck zu setzen. All diese Maßnahmen sollten nach außen hin den Eindruck erwecken, dass das MfS weniger rigoros als in früheren Jahren gegen Regimegegner vorging.
Nach der Freilassung von Oppositionellen, die kurz zuvor während der Durchsuchung der Umweltbibliothek 1987 und nach den Protesten am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 in Berlin inhaftiert worden waren, äußerten selbst SED-Mitglieder Zweifel, ob das MfS noch in der Lage sei, offensiv und effektiv gegen politische Opponenten vorzugehen.
Hochgerüstet und allemal zum Einschreiten bereit, trat das MfS jedoch noch bis in den Herbst 1989 gegenüber weniger prominenten Menschen in Aktion, die Widerstand leisteten, inhaftierte diese und ließ gegen sie hohe Haftstrafen verhängen. Bis zum Ende der DDR schritt das MfS bei sog. Demonstrativhandlungen ein und ging gegen - wie es hieß - ungesetzliche Gruppenbildungen vor.
Die Hauptabteilung XIX entstand 1964 durch Umbenennung der Hauptabteilung XIII. Ihre Aufgaben waren die Sicherung des Ministeriums für Verkehrswesen und dessen zentraler Einrichtungen sowie der Verkehrsträger Reichsbahn, Schifffahrt, Kraftverkehr und Luftfahrt als auch der Transportpolizei und deren Arbeitsgebiet K I.
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"Unter Kontrolle halten"
Am 26. April 1986 ereignete sich in Block 4 des sowjetischen Kernkraftwerks Tschernobyl ein katastrophaler Unfall. Während einer Übung, bei der ein Stromausfall simuliert wurde, verlor die Besatzung die Kontrolle über den Reaktor. Block 4 explodierte, große Mengen an radioaktiven Stoffen gelangten in die Atmosphäre. Sie verseuchten nicht nur die unmittelbare Umgebung des Kraftwerks. Eine Wolke mit strahlendem Material zog über ganz Europa. Tschernobyl war ein Super-GAU, eine bis dahin beispiellose Katastrophe mit Folgen, die bis heute spürbar sind.
Die Stasi erfuhr von den Vorkommnissen in Tschernobyl zunächst nichts. Die Sowjetunion versuchte, die Katastrophe geheim zu halten, und machte auch für die sozialistischen Partner keine Ausnahme. Erst als zwei Tage nach dem GAU in Schweden erhöhte Strahlungswerte gemessen wurden, sah sich Moskau zu einer Mitteilung genötigt. Schmallippig ließ man die staatliche Nachrichtenagentur einen "Unfall" in einem ukrainischen Atomkraftwerk einräumen. Die Schwere des Unglücks blieb aber zunächst unklar.
Auch die Stasi musste sich erst über das Staatliche Amt für Atomsicherheit und Strahlenschutz der DDR (SAAS) sowie westliche Medien Informationen beschaffen. Das SAAS verfügte zwar auch über keine genaueren Erkenntnisse zum Unglück, erhielt jedoch immerhin Meldungen der Internationalen Atomenergie-Organisation IAEA in Wien, die seit den verdächtigen Messwerten in Skandinavien alarmiert war.
In einem ersten Bericht fasste das Amt die spärlichen Informationen zusammen und beschrieb die in Tschernobyl eingesetzte Technik sowie die geographische Lage des Reaktors. Erste eigene Messungen der Strahlenbelastung in Ostdeutschland ergaben zunächst nichts Aufregendes. Tenor des Berichts: Kein Grund zur Panik.
Einleitung
Bericht über die Havarie im Kernkraftwerk Tschernobyl
Querschnitt und technische Daten des havarierten Reaktors im Kernkraftwerk Tschernobyl
Verstrahlte Milch
Bericht zur radioaktiven Strahlenbelastung in der DDR nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl
Hilferuf aus Moskau
Übergabe von Materialien an den KGB wegen der Havarie in Tschernobyl
Inoffizielle Informationen
Gespräch der Energieminister der DDR und Sowjetunion über das Reaktorunglück von Tschernobyl
Sorge um die Wirtschaft
Maßnahmen zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung trotz radioaktiver Belastung
Schäden in der Produktion von Röntgenfilmen wegen des Reaktorunglückes in Tschernobyl
Dekontamination
Ausbildung von MfS-Angehörigen für den atomaren Ernstfall
Information über zurückgewiesene Autos und Züge an der Grenze zur Bundesrepublik
"Unter Kontrolle halten"
Reaktionen der DDR-Bevölkerung auf die Havarie im Kernkraftwerk Tschernobyl
Stimmungen und Reaktionen auf die Havarie im Kernkraftwerk Tschernobyl
Bericht über die Beobachtung eines Rentners, dass der Verzehr von Salat und Milch abgelehnt wird
Gespräch mit dem Präsidenten des Staatlichen Amtes für Atomsicherheit und Strahlenschutz (SAAS)
"Tschernobyl wirkt überall!"
Befehl zum Vorgehen gegen die Initiatoren des Appells "Tschernobyl wirkt überall"
"Tschernobyl wirkt überall!" - Appell von Mitgliedern der Friedens- und Umweltbewegung in der DDR
Kampf gegen die Anti-Kernkraftwerksbewegung
Aufnäher "Schlechte Aussichten für die Ostsee / KKW Nord"
Information des KGB über Aktivitäten der Umweltbewegung in der Umgebung von Kernkraftwerken
"Kernenergie für eine friedliche Zukunft"
"Kernenergie für eine friedliche Zukunft"
Weiterführende Literatur