Sachstand zum operativen Material "Schwarzer Panther"
Signatur: BStU, MfS, HA VI, Nr. 17059, Bl. 48-50
Im November 1970 lieferten sich an der US-Luftwaffenbasis in Ramstein drei Mitglieder der "Black Panther Party" einen Schusswechsel mit einem deutschen Wachmann der Basis. Einer der Angreifer konnte fliehen – und setzte sich mit Hilfe der Stasi nach Algerien ab.
An der US-amerikanischen Militärflugbasis in Ramstein ereignete sich am 19. November 1970 ein bewaffneter Zwischenfall: Drei Mitglieder der Black Panther Party, einer revolutionär-sozialistischen Bewegung für die Rechte von Schwarzen in den USA, lieferten sich mit einem deutschen Wachposten im Einfahrtsbereich einen Schusswechsel. Der Wachmann wurde verletzt, die Black Panther-Mitglieder flohen. Ein Suchtrupp fasste zwei von ihnen. Einem dritten Mitglied der Gruppe, dem ehemaligen amerikanischen Soldaten David Jenkins, gelang die Flucht. Mit Hilfe von zwei westdeutschen Unterstützern der Black Panther-Bewegung sollte Jenkins mit dem Auto in die DDR gebracht und von dort über den Ost-Berliner Flughafen Schönefeld nach Algerien fliegen.
Zwei Tage später entdeckten Stasi-Mitarbeiter am Grenzübergang Helmstedt/Marienborn bei der Passkontrolle Jenkins im Kofferraum eines Frankfurter PKWs. Zu Befragungen brachte die Stasi alle drei in das konspirative Objekt "Loburg". Die Stasi-Bezirksverwaltung in Magdeburg registrierte die beteiligten Personen in ihrem Karteikartensystem und meldete das "Vorkommnis" wenige Stunden später mit dem Zusatz "dringend" an die Zentrale nach Berlin. Ab diesem Zeitpunkt behandelte die Stasi den Fall auf Leitungsebene. Stimmten die geschilderten Hintergründe des Vorfalls? Unter welchen Voraussetzungen wäre ein Ausflug nach Algerien möglich? Und welche Konsequenzen seien zu befürchten, sollte die Fluchthilfe öffentlich werden? Bis ins kleinste Detail gaben Mitarbeiter Vorlagen und Sachstände zum Fall "Schwarzer Panther" an ihre jeweiligen Leiter weiter.
Über drei Wochen wartete der US-Amerikaner auf die Entscheidung über seine Zukunft. Verzögert hatte sich der Prozess auch, da dieser bei seiner Flucht Verletzungen davongetragen hatte. Erst in der zweiten Dezemberwoche unterschrieb Minister Erich Mielke persönlich die letztendliche Entscheidungsvorlage, in der Oberst Fiedler empfahl, "dem Jenkins die Ausreise nach Algerien zu gestatten."
Der Flug von Schönefeld nach Algier erfolgte laut Unterlagen "ohne Zwischenfälle" am 13. Dezember 1970. Die DDR-Geheimpolizei hatte damit einem in Westdeutschland straffällig gewordenen Mitglied der Black Panther Party geholfen, sich dem Zugriff der Gerichte in der Bundesrepublik zu entziehen und unbemerkt Europa zu verlassen. Die beiden gefassten Mittäter verurteilte ein Gericht in Zweibrücken im Juli 1971 zu Geld- bzw. Gefängnisstrafen. In der Öffentlichkeit blieb die Identität der dritten Person bis zur Öffnung der Stasi-Unterlagen unbekannt.
Metadaten
- Diensteinheit:
- Hauptabteilung VI, Linie Paßkontrolle
- Datum:
- 26.11.1970
[Handschriftliche Ergänzung: unleserlich; VE/596/70]
Hauptabteilung VI
Linie Paßkontrolle
Stellv. Operativ
Berlin, 26. November 1970
Hauptabteilung VI
Leiter
im Hause
Sachstand zum operativen Material "Schwarzer Panther"
Bisher erbrachten die bei der Abteilung Agitation und Bereich III durchgeführten Maßnahmen und Überprüfungen keine Bestätigung der von den Personen Jenkins, Schauer und [anonymisiert] zur bewaffneten Auseinandersetzung am Flughafen Ramstein/Pfalz gemachten Angaben. Hinweise in den Aussagen der angeführten Personen, die Verdachtsmomente für eine Provokation enthalten, können jedoch mit gegenwärtigen Mitteln nicht endgültig geklärt werden.
Die Überprüfung durch den Leiter des Büros der Leitung (II) ergab, daß der westdeutsche Bürger Schauer bekannt ist. Er hat in der Vergangenheit an mehreren Aktionen des SDS teilgenommen und soll eine linksradikale Haltung einnehmen. Dieser Haltung entsprechen [durchgestrichen: d] auch Handlungen des Schauer, die in der Vergangenheit von ihm durchgeführt wurden.
Weiter sind die im Bericht genannten Brüder Wolff als ehemalige Mitglieder und Funktionäre des SDS bekannt. Negativ sind sie bisher nicht angefallen.
Die im Bericht genannte [anonymisiert] ist nicht bekannt.
Beim ZK der Partei, dem Zentralrat der FDJ oder anderen Stellen, zu denen das Büro der Leitung (II) Verbindung unterhält, wurden keine Nachfragen nach dem Verbleib des Jenkins gehalten.
Das Büro der Leitung (II) ist darüber hinaus informiert, daß am 29.11.1970 mit der Maschine der Interflug nach Algier bis jetzt keine Meldung zur Teilnahme am Flug durch Funktionäre der Partei und der FDJ vorliegen.
Diese Information wurde durch eine Überprüfung bei der Buchungsstelle der Interflug, Zentralflughafen Berlin-Schönefeld bestätigt.