Signatur: BArch, MfS, BV Leipzig, AIM, Nr. 1978/91, Bd. 2, Bl. 27, Bd. 2, Bl. 27
Ein Professor der Saar-Universität besuchte ab Mitte der 1970er Jahre regelmäßig mit wissenschaftlichen
Mitarbeitenden und Studierenden aus den Fachbereichen Jura und Soziologie die Leipziger Messen. Da die Studierenden nach ihrem Leipzig-Besuch einen „Reisebericht“ verfassen sollten, war die Stasi hinsichtlich möglicher negativer Darstellungen der DDR alarmiert.
Die Überwachung westdeutscher Universitäten durch die Staatssicherheit der DDR war ein zentraler Bestandteil ihrer Auslandsspionage. Hochschulen galten aus Sicht des MfS nicht nur als Orte wissenschaftlicher Forschung, sondern auch als „Hort politischer Indoktrination“ zukünftiger Eliten. Ziel war es, sowohl Forschungsinformationen aus den Natur-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften abzuschöpfen, als auch Einfluss auf politisch relevante Studierende und Lehrende zu gewinnen. Besonders ins Visier nahm die Stasi jene Universitätsinstitute, die sich mit der DDR oder Ostforschung beschäftigten. Sie plante in ausgewählten Universitätsstädten sogenannte Stasi-Stützpunkte aufzubauen, von denen aus inoffizielle Mitarbeiter (IM) rekrutiert werden sollten.
Die Universität des Saarlandes in Saarbrücken stand in den 1980er Jahren ebenfalls auf der Beobachtungsliste des MfS. Mit der ersten deutsch-deutschen Hochschulpartnerschaft zur Universität Leipzig 1987 rückte sie stärker ins Blickfeld der Stasi. Lehrende wie Prof. Dr. Brühl [Name geändert], der mit Studierenden regelmäßig die Leipziger Messen besuchte, wurden als „äußerst reaktionär und antikommunistisch“ eingestuft. Die Stasi dokumentierte akribisch seine Aktivitäten und die der Studierenden, insbesondere deren Kontakte und Reiseberichte, um negative Darstellungen der DDR zu verhindern.
Im vorliegenden Dokument fasste die Hauptverwaltung A ihre Erkenntnisse zu einer geplanten Studienreise Prof. Brühls [Name geändert] nach Leipzig in einem Kurzbericht zusammen und leitete diese Informationen an die für die Überwachung zuständige Bezirksverwaltung Leipzig weiter.
Erkenntnisse zur Organisierung feindlicher Kontakttätigkeit in die DDR durch das Institut für Innerdeutsche Beziehungen der Universität des Saarlandes - Saarbrücken - BRD
Aus zuverlässiger Quelle wurde folgendes bekannt:
Seit mindestens Mitte der 70er-Jahre organisiert der BRD-Wissenschaftler
[pseudonymisiert: Prof. Dr. Brühl]
[anonymisiert] der Universität des Saarlandes
unter interessierten Studenten Reisen zu den Leipziger Messen. Die Teilnehmerzahl ist nicht beschränkt. In Vorbereitung einer organisierten „Studienreise“ von Studenten der genannten Universität zur Leipziger Frühjahrsmesse 1983, die im Auftrag des Instituts für Innerdeutsche Beziehungen der Universität des Saarlandes und unter der Leitung von [pseudonymisiert: Brühl] und seines Mitarbeiters [anonymisiert], [anonymisiert], wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität des Saarlandes), durchgeführt wurde, erfolgte eine detaillierte Einweisung der Teilnehmer. Die Studenten wurden vor eventuellen Kontaktaufnahmen durch das MfS gewarnt und aufgefordert, bei durch DDR-Bürger initiierten Gesprächen nicht abweisend zu reagieren, sich die Argumente anzuhören, aber auf keine weiteren Vereinbarungen mit diesen Gesprächspartnern einzugehen. Jeder Teilnehmer dieser „Studienreise“ wurde verpflichtet, nach seiner Rückkunft in Saarbrücken einen Reisebericht abzugeben. Dieser Bericht soll neben anderen Erkenntnissen Namen, Anschriften und Einschätzungen der kontaktieren DDR-Bürger enthalten. Nach Angabe des Berichtes erhalten die Studenten die im Zusammenhang mit Kontakten zu DDR-Bürgern entstandenen Auslagen vom o.g. Institut zurück. Außerdem findet zur Auswertung dieser Reise eine Zusammenkunft aller Teilnehmer statt. An der Reise zur LFM 1983 nahmen ca. 15 Studenten der Universität Saarbrücken, vorwiegend aus den Fachrichtungen Soziologie und Jura, teil.
Unter den Studenten des Fachbereiches Soziologie an der Universität Saarbrücken ist bekannt, daß der [pseudonymisiert: Brühl] äußerst reaktionär und antikommunistisch eingestellt ist. Aufgrund des diskriminierenden Verhaltens des [pseudonymisiert: Brühl] gegenüber linken Studenten wurde von progressiven Studenten Flugblattaktionen gegen [pseudonymisiert: Brühl] organisiert. [pseudonymisiert: Brühl] nutzt die Leipzigreisen zur Hetze gegen die DDR, indem er Fotos bzw. Dia's von baufälligen Gebäuden, abwegigen Orten, Schutthalden usw. in Leipzig anfertigt und diese dann mit entsprechenden Texten für Wandzeitungen im Fachbereich Soziologie verarbeitet. Es ist weiter bekannt, daß [pseudonymisiert: Brühl] mit feindlichen Organen in Verbindung steht und in den 70er-Jahren Forschungsaufträge der BRD-Polizei am Fachbereich [anonymisiert] durchführte.
Die Hauptverwaltung A (HV A) war die Spionageabteilung des MfS, deren Bezeichnung sich an die der Spionageabteilung des KGB, 1. Verwaltung, anlehnt. Der Ordnungsbuchstabe A wurde in der Bundesrepublik oftmals, aber unzutreffenderweise mit "Aufklärung" aufgelöst. Die HV A wurde 1951 als Institut für Wirtschaftswissenschaftliche Forschung (IWF) gebildet und ging im September 1953 als HA XV in das Staatssekretariat für Staatssicherheit ein. Sie wurde im MfS von 1956 bis zur Auflösung im Juni 1990 als HV A bezeichnet.
Der Schwerpunkt nachrichtendienstlicher Tätigkeit der HV A lag in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin, wo sie mit Objektquellen, d. h. den IM in den nachrichtendienstlichen Zielobjekten, aktiv war.
Die HV A gliederte sich 1956 in 15, 1989 in 20 Abteilungen.
Für die operative Arbeit gegen das Bundeskanzleramt und wichtige Bundesministerien war die Abteilung I, für die gegen die bundesdeutschen Parteien die Abteilung II und für die Arbeit außerhalb Deutschlands die Abteilung III zuständig. Für die Infiltration der USA war die Abteilung XI, für die NATO und die Europäischen Gemeinschaften die Abteilung XII verantwortlich. Mit der Militärspionage war die Abteilung IV befasst, mit der Unterwanderung gegnerischer Nachrichtendienste die Abteilung IX.
Innerhalb der Hauptverwaltung war vornehmlich der Sektor Wissenschaft und Technik (SWT) mit Wissenschafts- und Technikspionage befasst, der zu diesem Zweck die Abteilung XIII bis XV sowie die Arbeitsgruppen 1, 3 und 5 unterhielt sowie eine eigene Auswertungsabteilung, die Abteilung V bzw. ab 1959 Abteilung VII.
Leiter der HV A waren 1951/52 Anton Ackermann, kurzzeitig Richard Stahlmann, 1952-1986 Markus Wolf, dann Werner Großmann und 1989/90 Bernd Fischer. Von anfangs zwölf Mitarbeitern wuchs der Apparat bis 1955 auf 430, bis 1961 auf 524 Mitarbeiter und erreichte bis 1972 einen Umfang von 1.066 hauptamtlichen Mitarbeitern. Bis 1989 wuchs die HV A auf 3.299 hauptamtliche Mitarbeiter, hinzu kamen 701 OibE (1985: 1.006) sowie 778 HIM. OibE und HIM arbeiteten verdeckt in der DDR und im Operationsgebiet. Insgesamt verfügte die HV A also zuletzt über 4.778 Mitarbeiter.
Die Anzahl der von der HV A geführten IM umfasste im Jahre 1989 rund 13.400 in der DDR und weitere 1.550 in der Bundesrepublik. Über 40 Jahre hinweg werden nach Hochrechnungen insgesamt rund 6.000 Bundesbürger und Westberliner IM der HV A gewesen sein.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Auf der vermeintlichen Kontaktpolitik westlicher Staaten basierende Ost-West-Kontakte, denen vom MfS unterstellt wurde, einer zielgerichteten ideologischen und politischen Unterminierung der DDR und anderer kommunistischer Länder sowie der Beschaffung von Informationen zu dienen. Findet sich zumeist zusammen mit dem Begriff Kontaktpolitik als Begriffspaar (KP/KT).
Quelle war eine zentrale IM-Kategorie der Hauptverwaltung A. Als Quelle wurden im sogenannten Operationsgebiet tätige inoffizielle Mitarbeiter bezeichnet, die in der Lage waren, an geheime Informationen über Aktivitäten und Absichten sowie Ressourcen und interne Lagebedingungen gegnerischer Einrichtungen zu gelangen.
Es wurden zwei Typen von Quellen unterschieden:
Zuletzt besaß die HV A (einschließlich der ihr nachgeordneten Abteilungen XV der BV) in der Bundesrepublik und Westberlin 133 A-Quellen und 449 O-Quellen.
Zusammenfassung mehrerer Treffen mit IM „Pfleger“ Dokument, 1 Seite
Bericht über einen in der Bundesrepublik erschienen Artikel zu Robert Havemann Dokument, 4 Seiten
Bericht des IMB "Peter Lux" über eine Dienstreise nach Essen und Aachen Dokument, 3 Seiten
Bericht über Diskussionen über den Ungarischen Volksaufstand an der TH Dresden Dokument, 3 Seiten