Signatur: BArch, MfS, HA XX, Nr. 10174, Bl. 1-2
Während der olympischen Winterspiele 1976 in Innsbruck verließ der Nordische Kombinierer Klaus Tuchscherer das DDR-Mannshaftshotel. Die Stasi leitete sofort die Suche nach dem Sportler ein.
Aus Liebe zu einer jungen Österreicherin nutzte der Nordische Kombinierer Klaus Tuchscherer seine erste Teilnahme an den Olympischen Winterspielen 1976 in Innsbruck, um die DDR zu verlassen. Die Staatssicherheit untersuchte den Vorfall und dokumentierte ihn umfangreich.
Am Abend des 15. Februar stellte die DDR-Olympiadelegation fest, dass Klaus Tuchscherer das Mannschaftshotel verlassen hatte. Persönliche Bekleidungsstücke, Toilettenartikel und ein Fotoapparat fehlten. Um 23.00 Uhr nahm Oberstleutnant Dr. Wolfgang Noack Kontakt mit dem Deutschen Turn- und Sportbund in der DDR auf. Eine dreiviertel Stunde später stand eine Telefonleitung zur Hauptabteilung XX/3 in Ost-Berlin. Unter Benutzung eines Codesystems wurde ihr der Verdacht eines "ungesetzlichen Grenzübertritts" mitgeteilt, wie auch der Verbleib im Westen nach einer Reise strafrechtlich umschrieben wurde.
Umgehend leiteten die zuständigen Stasi-Offiziere Untersuchungen zu den Hintergründen des Verschwindens und zu Tuchscherers aktuellem Aufenthaltsort ein. Neben Differenzen in der Mannschaft spekulierten seine Teamkollegen über eine Beziehung zu einer jungen Österreicherin, die Tuchscherer als Serviererin beim Trainingslager kennen gelernt haben soll. Die Stasi organisierte eine getarnte Gruppe aus Delegations-Mitgliedern, die den Arbeitsplatz und die Privatwohnung der jungen Frau umgehend besuchten.
In der Wohnung trafen sie Tuchscherer an und die Gruppe um den Verbandstrainer im Skilanglauf, Johannes Braun, versuchte, ihn in einem persönlichen Gespräch zu einer Rückkehr ins Mannschaftshotel zu bewegen. Dabei gewannen sie den Eindruck, so der offizielle Bericht zum Vorfall, dass Klaus Tuchscherer sich noch nicht endgültig zum Verlassen der DDR entschieden habe und ihren Argumenten gegenüber aufgeschlossen sei. Die Entwicklungen der folgenden Tage zeigten jedoch, dass ihre Einschätzung trügte.
Hauptabteilung XX/3
Berlin, den 16. 2. 1976
[Paraphe: A.R. Mi. 16.2.76]
Information
Tuchscherer, Klaus
geb. 14. 1. 1955 Rodewisch
wh.: 9413 Schönheide, Straße der Jugend 443
Angehöriger des SC Dynamo Klingenthal Sektion Nordische Kombination
Mitglied der Nationalmannschaft der DDR in der Nordischen Kombination sowie Teilnehmer an den Olympischen Winterspielen 1976 in Innsbruck ledig
Am 15.2.1976 nahm Genosse Oberstleutnant Dr. Noack gegen 23.00 Uhr telefonische Verbindung mit dem DTSB auf. Grund des Anrufes war eine dringende Rückantwort zu einem Vorkommnis mit Tuchscherer.
Gegen 23.45 Uhr erfolgte seitens der Hauptabteilung XX/3 die telefonische Rücksprache mit Genossen Oberstleutnant Noack. In dem Gespräch teilte er unten Benutzung des vereinbarten Codesystems mit, daß bei Tuchscherer der Verdacht des ungesetzlichen Grenzübertritts besteht.
Tuchscherer steht unter Kontrolle und es werden alle weiteren notwendigen Maßnahmen eingeleitet.
Am 16.2.1976 wurde durch die Hauptabteilung XX/3 um 8.10 Uhr ein weiteres telefonisches Gespräch mit Oberstleutnant Dr. Noack in Innsbruck geführt.
Auf konkrete Veranlassung teilte er folgenden Sachverhalt mit, der zur Zeit bekannt ist:
Tuchscherer nahm an dem vereinbarten Spaziergang der Nordisch-Kombinierten am Nachmittag des 15.2.1976 nicht teil.
Hauptabteilung XX (Staatsapparat, Kultur, Kirchen, Untergrund)
Die Hauptabteilung XX bildete den Kernbereich der politischen Repression und Überwachung der Staatssicherheit. In Struktur und Tätigkeit passte sie sich mehrfach an die sich wandelnden Bedingungen der Herrschaftssicherung an. Die Diensteinheit ging 1964 durch Umbenennung aus der Hauptatbeilung V hervor, die ihrerseits in den Abteilungen V und VI (1950–1953) ihre Vorläufer hatte.
Die Hauptabteilung XX und die ihr nachgeordneten Abteilungen XX in den Bezirksverwaltungen (Linie XX) sowie entsprechende Arbeitsbereiche in den KD überwachten wichtige Teile des Staatsapparates (u. a. Justiz, Gesundheitswesen und bis 1986 das Post- und Fernmeldewesen), die Blockparteien und Massenorganisationen, den Kultur- und Sportbereich, die Medien und die Kirchen sowie SED-Sonderobjekte und Parteibetriebe. Federführend war die Hauptabteilung XX auch bei der Bekämpfung der "politischen Untergrundtätigkeit" (PUT), also der Opposition.
Ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre und verstärkt seit dem Beginn der Entspannungspolitik fühlte sich das SED-Regime zunehmend durch die "politisch-ideologische Diversion" (PiD) bedroht. Die Schwächung der "Arbeiter-und-Bauern-Macht" durch "ideologische Aufweichung und Zersetzung" galt als Hauptinstrument des Westens bei der Unterminierung der DDR. Auch bei der Bekämpfung der PiD hatte die Hauptabteilung XX innerhalb des MfS die Federführung.
Das Erstarken der Bürgerrechtsbewegung (Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen) in der DDR führte in den 80er Jahren zu einem weiteren Bedeutungszuwachs der Linie XX. In der DA 2/85 bestätigte Minister Mielke dementsprechend die Federführung der Hauptabteilung XX bei der Bekämpfung der PUT.
Im Verlauf der fast 40-jährigen Entwicklung der Hauptabteilung XX veränderte sich ihre Struktur mehrfach. In der Endphase verfügte sie über neun operative Abteilungen und vier Funktionalorgane der Leitung (Sekretariat, Arbeitsgruppe der Leitung, Koordinierungsgruppe des Leiters, Auswertungs- und Kontrollgruppe).
Die Hauptabteilung V lag ab 1953 zunächst im unmittelbaren Anleitungsbereich von Mielke in seiner Eigenschaft als 1. Stellvertreter des Staatssicherheitschefs. Ab 1955 war der stellvertretende Minister Bruno Beater und 1964–1974 der stellv. Minister Fritz Schröder auf der Ebene der MfS-Leitung für die Hauptabteilung XX zuständig. Beide waren zuvor selbst (Beater 1953–1955, Schröder 1955–1963) Leiter der Hauptabteilung V. Seit 1975 gehörte die Hauptabteilung XX zum Verantwortungsbereich von Mielkes Stellvertreter Rudi Mittig. Von 1964 bis zur Auflösung des MfS leitete Kienberg die Hauptabteilung XX. Ihm standen seit 1965 zwei Stellvertreter zur Seite.
1954 waren in der Hauptabteilung V insgesamt 139 Mitarbeiter beschäftigt. Im Herbst 1989 verfügte die Hauptabteilung XX über 461 Mitarbeiter, von denen mehr als 200 als IM-führende Mitarbeiter eingesetzt waren.
In den 15 Bezirksverwaltungen waren auf der Linie XX im Oktober 1989 insgesamt knapp 1.000 Kader und damit auf der gesamten Linie XX fast 1.500 hauptamtliche Mitarbeiter im Einsatz. Gleichzeitig konnte allein die Hauptabteilung XX mit etwas mehr als 1.500 IM auf einen überdurchschnittlich hohen Bestand an inoffiziellen Kräften zurückgreifen. Ihrem Aufgabenprofil entsprechend spiegelt sich nicht zuletzt in der Entwicklung der Hauptabteilung XX auch die Geschichte von Opposition, Widerstand und politischer Dissidenz in der DDR. Im Herbst 1989 wurden von der Diensteinheit 31 Operative Vorgänge (10 Prozent aller Operativen Vorgänge im Berliner Ministeriumsbereich) und 59 Operative Personenkontrollen (8,7 Prozent) bearbeitet.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Signatur: BArch, MfS, HA XX, Nr. 10174, Bl. 1-2
Während der olympischen Winterspiele 1976 in Innsbruck verließ der Nordische Kombinierer Klaus Tuchscherer das DDR-Mannshaftshotel. Die Stasi leitete sofort die Suche nach dem Sportler ein.
Aus Liebe zu einer jungen Österreicherin nutzte der Nordische Kombinierer Klaus Tuchscherer seine erste Teilnahme an den Olympischen Winterspielen 1976 in Innsbruck, um die DDR zu verlassen. Die Staatssicherheit untersuchte den Vorfall und dokumentierte ihn umfangreich.
Am Abend des 15. Februar stellte die DDR-Olympiadelegation fest, dass Klaus Tuchscherer das Mannschaftshotel verlassen hatte. Persönliche Bekleidungsstücke, Toilettenartikel und ein Fotoapparat fehlten. Um 23.00 Uhr nahm Oberstleutnant Dr. Wolfgang Noack Kontakt mit dem Deutschen Turn- und Sportbund in der DDR auf. Eine dreiviertel Stunde später stand eine Telefonleitung zur Hauptabteilung XX/3 in Ost-Berlin. Unter Benutzung eines Codesystems wurde ihr der Verdacht eines "ungesetzlichen Grenzübertritts" mitgeteilt, wie auch der Verbleib im Westen nach einer Reise strafrechtlich umschrieben wurde.
Umgehend leiteten die zuständigen Stasi-Offiziere Untersuchungen zu den Hintergründen des Verschwindens und zu Tuchscherers aktuellem Aufenthaltsort ein. Neben Differenzen in der Mannschaft spekulierten seine Teamkollegen über eine Beziehung zu einer jungen Österreicherin, die Tuchscherer als Serviererin beim Trainingslager kennen gelernt haben soll. Die Stasi organisierte eine getarnte Gruppe aus Delegations-Mitgliedern, die den Arbeitsplatz und die Privatwohnung der jungen Frau umgehend besuchten.
In der Wohnung trafen sie Tuchscherer an und die Gruppe um den Verbandstrainer im Skilanglauf, Johannes Braun, versuchte, ihn in einem persönlichen Gespräch zu einer Rückkehr ins Mannschaftshotel zu bewegen. Dabei gewannen sie den Eindruck, so der offizielle Bericht zum Vorfall, dass Klaus Tuchscherer sich noch nicht endgültig zum Verlassen der DDR entschieden habe und ihren Argumenten gegenüber aufgeschlossen sei. Die Entwicklungen der folgenden Tage zeigten jedoch, dass ihre Einschätzung trügte.
Er entschuldigte sich mit der Bemerkung, er erwarte einen Telefonanruf aus der Heimat, den er nicht vermissen möchte.
Da Tuchscherer auch am Abend des 15.2.1976 nicht wieder in das Quärtier der nordischen Skisportler in Mösern zurückgekehrt war, wurden erste Überprüfungsmaßnahmen durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, daß aus Bischofshofen zwei telefonische Anrufe nach Mösern erfolgten, aus denen zu schlußfolgern war, daß stich Tuchscherer in der Nähe dieses Ortes befindet. Aus ersten Gesprächen mit Aktiven und Trainern wurde bekannt, daß Tuchscherer bei seinen wiederholten Aufenthalten in Österreich Kontakte zu Bürgern in Bischofshofen geschlossen hatte.
Daher wurde die Vermutung geäussert, daß er sich bei einer dieser PerSonen aufhält.
Eine Durchsuchung der persönlichen Sachen des T. ergab, daß er den zur Olympiaausstattung gehörenden Kleiderkoffer mit einigen Sachen und Utensilien des persönlichen Bedarfs mitgenommen hat.
Nähere Hinweise über den Inhalt der Telefongespräche bzw. über den Anrufer sind noch nicht bekannt.
Durch die sich in Innsbruck befindenden operativen Mitarbeiter wurden sofort Maßnahmen eingeleitet, um den Aufenthalt des Tuchscherer festzustellen sowie ihn zur Delegation zurückzuführen. Operative Mitarbeiter sind in der Nacht mit einem PKW nach Bischofshofen (liegt ca. 4 Autostunden von Innsbruck entfernt) gefahren, um an Ort und Stelle Untersuchungen zu führen.
Durch Genossen Oberstleutnant Dr. Noack wird die Hauptabtlg. XX/3 umgehend informiert, sobald ein Ergebnis dazu vorliegt.
Tuchscherer ist seit 1972 bestätigter Reisekader für das nichtsozialistische Ausland. Er war seit diesem Zeitpunkt ununterbrochen zu Starts im nichtsozialistischen Ausland eingesetzt. Negative Hinweise vor seinem Start zu den Olympischen Winterspielen lagen in der BV Karl-Marx-Stadt und HA XX/3 nicht vor.
Hauptabteilung XX (Staatsapparat, Kultur, Kirchen, Untergrund)
Die Hauptabteilung XX bildete den Kernbereich der politischen Repression und Überwachung der Staatssicherheit. In Struktur und Tätigkeit passte sie sich mehrfach an die sich wandelnden Bedingungen der Herrschaftssicherung an. Die Diensteinheit ging 1964 durch Umbenennung aus der Hauptatbeilung V hervor, die ihrerseits in den Abteilungen V und VI (1950–1953) ihre Vorläufer hatte.
Die Hauptabteilung XX und die ihr nachgeordneten Abteilungen XX in den Bezirksverwaltungen (Linie XX) sowie entsprechende Arbeitsbereiche in den KD überwachten wichtige Teile des Staatsapparates (u. a. Justiz, Gesundheitswesen und bis 1986 das Post- und Fernmeldewesen), die Blockparteien und Massenorganisationen, den Kultur- und Sportbereich, die Medien und die Kirchen sowie SED-Sonderobjekte und Parteibetriebe. Federführend war die Hauptabteilung XX auch bei der Bekämpfung der "politischen Untergrundtätigkeit" (PUT), also der Opposition.
Ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre und verstärkt seit dem Beginn der Entspannungspolitik fühlte sich das SED-Regime zunehmend durch die "politisch-ideologische Diversion" (PiD) bedroht. Die Schwächung der "Arbeiter-und-Bauern-Macht" durch "ideologische Aufweichung und Zersetzung" galt als Hauptinstrument des Westens bei der Unterminierung der DDR. Auch bei der Bekämpfung der PiD hatte die Hauptabteilung XX innerhalb des MfS die Federführung.
Das Erstarken der Bürgerrechtsbewegung (Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen) in der DDR führte in den 80er Jahren zu einem weiteren Bedeutungszuwachs der Linie XX. In der DA 2/85 bestätigte Minister Mielke dementsprechend die Federführung der Hauptabteilung XX bei der Bekämpfung der PUT.
Im Verlauf der fast 40-jährigen Entwicklung der Hauptabteilung XX veränderte sich ihre Struktur mehrfach. In der Endphase verfügte sie über neun operative Abteilungen und vier Funktionalorgane der Leitung (Sekretariat, Arbeitsgruppe der Leitung, Koordinierungsgruppe des Leiters, Auswertungs- und Kontrollgruppe).
Die Hauptabteilung V lag ab 1953 zunächst im unmittelbaren Anleitungsbereich von Mielke in seiner Eigenschaft als 1. Stellvertreter des Staatssicherheitschefs. Ab 1955 war der stellvertretende Minister Bruno Beater und 1964–1974 der stellv. Minister Fritz Schröder auf der Ebene der MfS-Leitung für die Hauptabteilung XX zuständig. Beide waren zuvor selbst (Beater 1953–1955, Schröder 1955–1963) Leiter der Hauptabteilung V. Seit 1975 gehörte die Hauptabteilung XX zum Verantwortungsbereich von Mielkes Stellvertreter Rudi Mittig. Von 1964 bis zur Auflösung des MfS leitete Kienberg die Hauptabteilung XX. Ihm standen seit 1965 zwei Stellvertreter zur Seite.
1954 waren in der Hauptabteilung V insgesamt 139 Mitarbeiter beschäftigt. Im Herbst 1989 verfügte die Hauptabteilung XX über 461 Mitarbeiter, von denen mehr als 200 als IM-führende Mitarbeiter eingesetzt waren.
In den 15 Bezirksverwaltungen waren auf der Linie XX im Oktober 1989 insgesamt knapp 1.000 Kader und damit auf der gesamten Linie XX fast 1.500 hauptamtliche Mitarbeiter im Einsatz. Gleichzeitig konnte allein die Hauptabteilung XX mit etwas mehr als 1.500 IM auf einen überdurchschnittlich hohen Bestand an inoffiziellen Kräften zurückgreifen. Ihrem Aufgabenprofil entsprechend spiegelt sich nicht zuletzt in der Entwicklung der Hauptabteilung XX auch die Geschichte von Opposition, Widerstand und politischer Dissidenz in der DDR. Im Herbst 1989 wurden von der Diensteinheit 31 Operative Vorgänge (10 Prozent aller Operativen Vorgänge im Berliner Ministeriumsbereich) und 59 Operative Personenkontrollen (8,7 Prozent) bearbeitet.
Operative Mitarbeiter
Operative Mitarbeiter des MfS waren Hauptamtliche Mitarbeiter, die IM und OibE führten, in MfS-Dokumenten auch als vorgangsführende Mitarbeiter oder IM-führende Mitarbeiter (umgangssprachlich Führungsoffiziere) bezeichnet, von denen es im MfS zuletzt etwa 12.000 bis 13.000 gab. Sie waren für eine Region oder Institution, für bestimmte Personenkreise oder spezifische Sachfragen zuständig und hatten die Sicherheitslage in ihrem Verantwortungsbereich zu beurteilen.
Es wurde von ihnen erwartet, dass sie insbesondere durch Rekrutierung und Einsatz von IM die "staatliche Sicherheit und die gesellschaftliche Entwicklung" vorbeugend sicherten. Verdächtige Personen waren in Operativen Vorgängen oder Operativen Personenkontrollen zu "bearbeiten", Personengruppen mit besonderen Befugnissen mit Sicherheitsüberprüfungen unter Kontrolle zu halten. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben sollten sie das politisch-operative Zusammenwirken mit anderen staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen nutzen.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Bericht des IM "Falun" über Klaus Tuchscherer Dokument, 3 Seiten
Konzeption für die operative Sicherung der DDR-Delegation zu den XII. Olympischen Winterspielen in Innsbruck Dokument, 9 Seiten
Bitte um Einleitung von Postkontrolle im Kreis Judenburg und dem Ort Zeltweg (Österreich) Dokument, 1 Seite
Vorschlag zur Übersiedlung von Klaus Tuchscherer nach Österreich Dokument, 6 Seiten