Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 8680, Bl. 15-21
Rund um den bevorstehenden 40. Geburtstag der DDR stand es schlecht um die Stimmung in der Bevölkerung. Stasi-Minister Mielke schwor seine engsten Vertrauten deshalb auf einer Sitzung ein, dass die Feierlichkeiten dadurch auf keinen Fall gestört werden dürften.
Am 7. Oktober 1989 jährte sich die Gründung der DDR zum 40. Mal. Obwohl sich zu diesem Zeitpunkt bereits viele Bürger von ihrem Staat und seiner Führung losgesagt hatten, plante die Parteiführung um Erich Honecker eine große und triumphale Parade anlässlich des "Republikgeburtstages". Welche Schwierigkeiten die Staatssicherheit aus diesem Umstand erwartete, wird aus diesem Dokument deutlich.
Bei den "Hinweisen" handelt es sich um ein stichpunktartiges Manuskript einer Rede des Ministers für Staatssicherheit, Erich Mielke. Er hielt sie vor dem "Kollegium", dessen Sitzung unmittelbar vor Beginn der Feierlichkeiten stattfand. Dieses Gremium bestand aus Mielke selbst und 13 weiteren Generälen: den vier Stellvertretern des Ministers, den Leitern einiger wichtiger Hauptabteilungen und dem Chef der Bezirksverwaltung Berlin. Diese Versammlung übte lediglich eine beratende Funktion aus, denn das Ministerium für Staatssicherheit wurde nach dem Prinzip der "Einzelleitung" geführt: Mielke hatte das letzte Wort.
Im Referat selbst konstatiert Mielke eine angespannte Situation rund um das anstehende Jubiläum und eine weiter wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung. Die Aufgabe der Sicherheitsorgane bestehe darin, zu verhindern, dass diese Gefühle offen zum Ausdruck kommen. Protestaktionen, die die Feierlichkeiten stören könnten, seien schon "bei geringsten Hinweisen" zu unterbinden.
In größerem Umfange Zurückweisungen vorgesehen, dabei teilweise komplizierte Bedingungen, besonders auf GÜST Bahnhof Friedrichstraße - auf entsprechende Reaktionen einstellen. Am 6.10.89 Ankunft Gorbatschow - vollständige Sperrung vorgesehen.
(Einreise von Blüm im Zusammenhang mit Düsseldorfer Gastspiel gestattet; Treffen mit Eppelmann ebenfalls gestattet.)
4. Besondere Beachtung, daß angesichts Lage erhöhte Gefahren von Provokationen gegen Staatsgrenze - sowohl von außen als auch von innen;
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Das leninistische Prinzip der Einzelleitung war für den gesamten Staats- und Wirtschaftsapparat der DDR verbindlich, hatte aber im MfS wie auch in anderen militärisch verfassten Apparaten eine besonders rigide Ausprägung. Danach hatte der Leiter die uneingeschränkte Verantwortung für seinen Zuständigkeitsbereich und war gegenüber allen ihm Unterstellten politisch, fachlich und administrativ weisungs- und kontrollbefugt. Darüber hinaus war er verpflichtet, die ihm unterstellten Mitarbeiter politisch-ideologisch und politisch-moralisch zu erziehen.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
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Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 8680, Bl. 15-21
Rund um den bevorstehenden 40. Geburtstag der DDR stand es schlecht um die Stimmung in der Bevölkerung. Stasi-Minister Mielke schwor seine engsten Vertrauten deshalb auf einer Sitzung ein, dass die Feierlichkeiten dadurch auf keinen Fall gestört werden dürften.
Am 7. Oktober 1989 jährte sich die Gründung der DDR zum 40. Mal. Obwohl sich zu diesem Zeitpunkt bereits viele Bürger von ihrem Staat und seiner Führung losgesagt hatten, plante die Parteiführung um Erich Honecker eine große und triumphale Parade anlässlich des "Republikgeburtstages". Welche Schwierigkeiten die Staatssicherheit aus diesem Umstand erwartete, wird aus diesem Dokument deutlich.
Bei den "Hinweisen" handelt es sich um ein stichpunktartiges Manuskript einer Rede des Ministers für Staatssicherheit, Erich Mielke. Er hielt sie vor dem "Kollegium", dessen Sitzung unmittelbar vor Beginn der Feierlichkeiten stattfand. Dieses Gremium bestand aus Mielke selbst und 13 weiteren Generälen: den vier Stellvertretern des Ministers, den Leitern einiger wichtiger Hauptabteilungen und dem Chef der Bezirksverwaltung Berlin. Diese Versammlung übte lediglich eine beratende Funktion aus, denn das Ministerium für Staatssicherheit wurde nach dem Prinzip der "Einzelleitung" geführt: Mielke hatte das letzte Wort.
Im Referat selbst konstatiert Mielke eine angespannte Situation rund um das anstehende Jubiläum und eine weiter wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung. Die Aufgabe der Sicherheitsorgane bestehe darin, zu verhindern, dass diese Gefühle offen zum Ausdruck kommen. Protestaktionen, die die Feierlichkeiten stören könnten, seien schon "bei geringsten Hinweisen" zu unterbinden.
5. Sicherung der Volksfeste, besonders durch gesellschaftliche Kräfte, durch das politisch bewußte Auftreten aller progressiven Besucher gewährleisten.
Nochmals auf Maßnahmen hinsichtlich Verhinderung des Auftretens von Unterhaltungskünstlern, Moderatoren usw. im Sinne der Resolutionen / Aufrufe hinweisen; auf mögliche Zunahme Versuche einstellen, mit provokatorischen Handlungen, provokatorischen Losungen, Störung politisch progressiver Auftritte,rowdyhaften Handlungen, besonders auch gegen Sicherungskräfte, Verlauf zu stören.
Durchfürung des Feuerwerkes im Friedrichshain erfordert Räumung / Sperrung von Teilen des Friedrichshains unmittelbar nach Beendigung der Volksfeste / Veranstaltungen, um Sicherheit zu gewährleisten.
Gefahr von Zusammenstößen, Nichtverständnis für Maßnahmen. Alle Vorkehrungen treffen, damit im Zusammenhang mit Feuerwerk keine Gefährdungen von Personen oder Objekten eintreten können.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Das leninistische Prinzip der Einzelleitung war für den gesamten Staats- und Wirtschaftsapparat der DDR verbindlich, hatte aber im MfS wie auch in anderen militärisch verfassten Apparaten eine besonders rigide Ausprägung. Danach hatte der Leiter die uneingeschränkte Verantwortung für seinen Zuständigkeitsbereich und war gegenüber allen ihm Unterstellten politisch, fachlich und administrativ weisungs- und kontrollbefugt. Darüber hinaus war er verpflichtet, die ihm unterstellten Mitarbeiter politisch-ideologisch und politisch-moralisch zu erziehen.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
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Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 8680, Bl. 15-21
Rund um den bevorstehenden 40. Geburtstag der DDR stand es schlecht um die Stimmung in der Bevölkerung. Stasi-Minister Mielke schwor seine engsten Vertrauten deshalb auf einer Sitzung ein, dass die Feierlichkeiten dadurch auf keinen Fall gestört werden dürften.
Am 7. Oktober 1989 jährte sich die Gründung der DDR zum 40. Mal. Obwohl sich zu diesem Zeitpunkt bereits viele Bürger von ihrem Staat und seiner Führung losgesagt hatten, plante die Parteiführung um Erich Honecker eine große und triumphale Parade anlässlich des "Republikgeburtstages". Welche Schwierigkeiten die Staatssicherheit aus diesem Umstand erwartete, wird aus diesem Dokument deutlich.
Bei den "Hinweisen" handelt es sich um ein stichpunktartiges Manuskript einer Rede des Ministers für Staatssicherheit, Erich Mielke. Er hielt sie vor dem "Kollegium", dessen Sitzung unmittelbar vor Beginn der Feierlichkeiten stattfand. Dieses Gremium bestand aus Mielke selbst und 13 weiteren Generälen: den vier Stellvertretern des Ministers, den Leitern einiger wichtiger Hauptabteilungen und dem Chef der Bezirksverwaltung Berlin. Diese Versammlung übte lediglich eine beratende Funktion aus, denn das Ministerium für Staatssicherheit wurde nach dem Prinzip der "Einzelleitung" geführt: Mielke hatte das letzte Wort.
Im Referat selbst konstatiert Mielke eine angespannte Situation rund um das anstehende Jubiläum und eine weiter wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung. Die Aufgabe der Sicherheitsorgane bestehe darin, zu verhindern, dass diese Gefühle offen zum Ausdruck kommen. Protestaktionen, die die Feierlichkeiten stören könnten, seien schon "bei geringsten Hinweisen" zu unterbinden.
6. Anreise der ausländischen Repräsentanten und Delegationen - kurze Zeitabstände der Ankunft und Fahrt vom Flugplatz zu Objekten erfordern straffes Regime und hohe Ordnung in allen entsprechenden Handlungsräumen. Ständige Kontrolle / Observation der Strecken erfolgt.
360.000 gesellschaftliche Kräfte zur Spalierbildung vorgesehen - Einweisung der Führungskräfte sei erfolgt. Gehe davon aus, daß diese durch entsprechende politische Vorbereitung auch erforderliche Disziplin wahren.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Das leninistische Prinzip der Einzelleitung war für den gesamten Staats- und Wirtschaftsapparat der DDR verbindlich, hatte aber im MfS wie auch in anderen militärisch verfassten Apparaten eine besonders rigide Ausprägung. Danach hatte der Leiter die uneingeschränkte Verantwortung für seinen Zuständigkeitsbereich und war gegenüber allen ihm Unterstellten politisch, fachlich und administrativ weisungs- und kontrollbefugt. Darüber hinaus war er verpflichtet, die ihm unterstellten Mitarbeiter politisch-ideologisch und politisch-moralisch zu erziehen.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
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Maßnahmeplan zur Gewährleistung der Sicherheit zum 40. Jahrestag der DDR Dokument, 30 Seiten
Information über kirchliche Solidarisierungsveranstaltungen im Zusammenhang mit den konterrevolutionären Ereignissen in der VR China Dokument, 5 Seiten
Fernschreiben des Generalsekretärs Honecker an die SED-Bezirksleitungen Dokument, 2 Seiten
Rede Erich Mielkes auf der erweiterten Kollegiumssitzung des MfS am 9. März 1988 Audio, 36 Minuten, 53 Sekunden