Signatur: BStU, MfS, ZOS, Nr. 2541, Bl. 117-118
Nach Abschluss des Lindenberg-Konzertes in Ost-Berlin wertete die Stasi ihren Einsatz akribisch aus. Die festgestellten Schwachpunkte sollten zukünftig bei vergleichbaren Veranstaltungen vermieden werden.
Am 25. Oktober 1983 spielte Udo Lindenberg zum ersten und vor dem Mauerfall einzigen Mal in der DDR. 15 Minuten dauerte der Auftritt des westdeutschen Rockers beim so genannten "Friedenskonzert" der Freien Deutschen Jugend (FDJ) in Ostberlin. In einer zweiten Hochphase des "Kalten Krieges" löste der Auftritt bei der Stasi einen umfangreichen Einsatz aus. Das geschah auch, weil Udo Lindenberg ein steter Kritiker der DDR-Verhältnisse war. Verschiedene Diensteinheiten der Geheimpolizei begleiteten die Vorbereitungen und das Konzert. Im Anschluss daran sammelten sie die Reaktionen der Teilnehmer und der Westpresse. Stasi-Mitarbeiter an der Grenze beobachteten und fotografierten Lindenbergs Einreise. Sie hatten Dutzende von westdeutschen Medienvertretern genau im Blick, die das Ereignis ebenfalls begleiteten. Dennoch lief nicht alles nach Plan, wie das vorliegende Dokument zeigt, das die Stasi in Auswertung ihres Sicherungseinsatzes angefertigt hatte.
Berlin, 30.12.1983
Erkenntnisse aus dem operativen Einsatz zur Sicherung der Abschlußveranstaltung der Liedertournee der FDJ am 25.10.1983 in der Hauptstadt der DDR, Berlin, Palast der Republik, unter Teilnahme des BRD-Sängers Udo Lindenberg
Beim o.g. Sicherungseinsatz wurden Erkenntnisse gesammelt, welche bei ähnlichen Veranstaltungen im Jahre 1984 Berücksichtigung finden sollten, um Lücken und Schwachpunkte in der politisch-operativen und stabsmäßigen Sicherungstätigkeit zu schließen. Dies betrifft speziell nachfolgend aufgeführte Komplexe / Aufgabenstellungen / Maßnahmen:
1. Der Plan der Maßnahmen zur Absicherung der Veranstaltung enthielt konkrete Verantwortlichkeiten für die am Einsatz beteiligten Diensteinheiten/Bezirksverwaltung.
In der kurzfristig durchgeführten Koordinierungsberatung mit verantwortlichen Offizieren wurde zum Stand der Vorbereitung berichtet und der Informationsfluß abgestimmt.
Die Informierung über die Einreise des Lindenberg sowie seiner Begleitung war widersprüchlich und lückenhaft sowie zeitlich zu spät. Über den außerplanmäßigen Halt in unmittelbarer Nähe der Einreise-GÜSt Invalidenstraße sowie das durchgeführte Interview westlicher Journalisten (ZDF) mit L. wurde nicht berichtet, obwohl Angehörige der PKE dies beobachteten und fotografisch dokumentierten.
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
An den Grenzübergangsstellen (Güst) der DDR führten Passkontrolleinheiten (PKE) der Staatssicherheit die Identitätskontrollen und Fahndungsmaßnahmen durch und überwachten auf diese Weise den gesamten grenzüberschreitenden Verkehr. Im Zuge der Kontrollen realisierten sie auch operative Maßnahmen im Auftrag anderer Diensteinheiten des MfS. Die in den Uniformen der Grenztruppen auftretenden Angehörigen der PKE gehörten zur Linie VI des MfS (Passkontrolle, Tourismus, Interhotel).
Die Passkontrolle war seit 1962 in der Kompetenz des MfS, als das Aufgabengebiet vom Amt für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs auf die damals neu gegründete Arbeitsgruppe Passkontrolle und Fahndung überging. Hintergrund war u. a. die sich nach dem Mauerbau entwickelnde Fluchthilfe.
Der Zentrale Operativstab (ZOS) wurde 1970 gegründet. Seine Aufgaben waren der Betrieb des operativen Lagezentrums mit 24-Stunden-Dienst zur Entgegennahme, Aufbereitung und Weiterleitung von Meldungen/Informationen und Führung der Gesamtübersicht zur Sicherheitslage und bestimmten Vorkommnissen (Bomben- und Sprengstoffanschläge, Brandlegungen, Überfälle, Geiselnahmen, Attentate, Erpressungen, Havarien, Vorkommnisse an der Grenze, "staatsfeindliche Hetze", Demonstrationen/Demonstrativhandlungen usw.) wie auch Durchführung von sichernden Aktionen und Einsätzen anlässlich herausragender Ereignisse der Partei- und Staatsführung.
Signatur: BStU, MfS, ZOS, Nr. 2541, Bl. 117-118
Nach Abschluss des Lindenberg-Konzertes in Ost-Berlin wertete die Stasi ihren Einsatz akribisch aus. Die festgestellten Schwachpunkte sollten zukünftig bei vergleichbaren Veranstaltungen vermieden werden.
Am 25. Oktober 1983 spielte Udo Lindenberg zum ersten und vor dem Mauerfall einzigen Mal in der DDR. 15 Minuten dauerte der Auftritt des westdeutschen Rockers beim so genannten "Friedenskonzert" der Freien Deutschen Jugend (FDJ) in Ostberlin. In einer zweiten Hochphase des "Kalten Krieges" löste der Auftritt bei der Stasi einen umfangreichen Einsatz aus. Das geschah auch, weil Udo Lindenberg ein steter Kritiker der DDR-Verhältnisse war. Verschiedene Diensteinheiten der Geheimpolizei begleiteten die Vorbereitungen und das Konzert. Im Anschluss daran sammelten sie die Reaktionen der Teilnehmer und der Westpresse. Stasi-Mitarbeiter an der Grenze beobachteten und fotografierten Lindenbergs Einreise. Sie hatten Dutzende von westdeutschen Medienvertretern genau im Blick, die das Ereignis ebenfalls begleiteten. Dennoch lief nicht alles nach Plan, wie das vorliegende Dokument zeigt, das die Stasi in Auswertung ihres Sicherungseinsatzes angefertigt hatte.
2. Zur Person L. wurden für den Gesamtaufenthalt durchgängige spezifische Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen festgelegt und angewiesen. Festgestellt wurde, daß diese Maßnahmen nicht vollinhaltlich und ständig wirksam waren. L. kam auf einem nicht festgelegten Weg zum geplanten Fototermin vor dem Palast der Republik und bekam somit Kontakt zu jugendlichen DDR-Bürgern, was jedoch vermieden werden sollte.
3. Die Auskunftsunterlagen zu den einzelnen Aktivitäten/Bewegungen/Transportmitteln des L. waren unvollkommen. Zukünftig ist es erforderlich, Lotsen-Kfz in Bereitschaft zu halten, Fahrstrecken sorgfältig auszuwählen und festzulegen sowie zu wissen, welche Kfz (Typ, Kennzeichen) sich im Einsatz befinden.
In den zu nutzenden Objekten sollten Stützpunkte eingerichtet und mit operativen Mitarbeitern besetzt werden, um die Auskunftsfähigkeit hinsichtlich Ankunft/Abfahrt und eventueller Vorkommnisse zu verbessern und den Führungspunkt in Kenntnis setzen zu können.
4. Die Betreuung der westlichen Journalisten (durch das MfAA) war vor, während und zum Abschluß der Veranstaltung nicht ausreichend organisiert. Unkontrollierte journalistische Tätigkeiten wurden sowohl vor dem als auch im Palast der Republik durchgeführt. Korrespondenten aus dem Großen Saal des Palastes der Republik hielten sich während der Veranstaltung im Sperrbereich in der Nähe der Sympathisanten von L. auf, aktivierten bzw. ermunterten diese und dokumentierten die Handlungen der Einsatzkräfte gegenüber den "Fans" von L.
5. Festgelegte Entschlüsse/Handlungsvarianten gilt es stärker der objektiven operativen Lage anzupassen und durchzusetzen. Die zum Einsatz gelangenden Kräfte sind schwerpunktmäßig, gezielt mit konkreten Aufträgen einzusetzen.
6. Der nachträglichen Aufklärung von Erscheinungen während einer Veranstaltung, z.B. größeren Ansammlungen schaulustiger Jugendlicher am Handlungsraum, unerlaubten/nichtgenehmigten Aktivitäten von Korrespondenten, sollte mehr Bedeutung beigemessen werden, um Zielstellungen sowie weitere geplante Aktivitäten bei gleichgelagerten Veranstaltungen in Erfahrung zu bringen.
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Der Zentrale Operativstab (ZOS) wurde 1970 gegründet. Seine Aufgaben waren der Betrieb des operativen Lagezentrums mit 24-Stunden-Dienst zur Entgegennahme, Aufbereitung und Weiterleitung von Meldungen/Informationen und Führung der Gesamtübersicht zur Sicherheitslage und bestimmten Vorkommnissen (Bomben- und Sprengstoffanschläge, Brandlegungen, Überfälle, Geiselnahmen, Attentate, Erpressungen, Havarien, Vorkommnisse an der Grenze, "staatsfeindliche Hetze", Demonstrationen/Demonstrativhandlungen usw.) wie auch Durchführung von sichernden Aktionen und Einsätzen anlässlich herausragender Ereignisse der Partei- und Staatsführung.
Erfahrungsprotokoll zum Einsatz der Stasi beim Lindenberg-Konzert Dokument, 2 Seiten
Lagefilm der Stasi zum Konzert mit Udo Lindenberg im Palast der Republik Dokument, 4 Seiten
Abschlussbericht zum Sicherungseinsatz beim Friedensfestival der FDJ im Palast der Republik Dokument, 4 Seiten
Udo Lindenberg bei seinem Konzert am 25.10.1983 im Palast der Republik 1 Fotografie