Signatur: BStU, MfS, AU, Nr. 192/56, Bd. 3, Bl. 202-208
Der SED-Funktionär Paul Merker wurde 1952 Opfer haltloser Beschuldigungen, die ihn zum Protagonisten einer gegen die kommunistische Herrschaft gerichteten internationalen Verschwörung stempelten. Dieses Konstrukt wies ausgeprägte antisemitische Tendenzen auf und diente der politischen Säuberung und Einschüchterung. Während seiner Haft teilte Paul Merker seine Zelle mit einem Spitzel der Staatssicherheit.
Paul Merker war maßgeblich am Aufbau der SED-Herrschaft in Ostdeutschland beteiligt. Wie viele der Gründerväter der DDR war er schon in der Weimarer Zeit ein hochrangiger kommunistischer Politiker: Mitglied des Politbüros der KPD, Abgeordneter des Preußischen Landtages sowie Reichsleiter der sogenannten Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO). Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wirkte er ab 1936 zunächst in der Exil-Führung der KPD in Frankreich. 1942 floh er dann nach Mexiko, wo er als KPD-Politbüromitglied und Sekretär des Lateinamerikanischen Komitees der Bewegung "Freies Deutschland" die bestimmende Figur in der kommunistischen Emigration war. Nach Kriegsende wurde er 1946 ins Zentralsekretariat der SED berufen und blieb auch 1949 – nach dessen Umwandlung zum Politbüro – Mitglied im höchsten Parteigremium.
Am 22. August 1950, nicht einmal ein Jahr nach der Staatsgründung der DDR, wurde Merker zusammen mit anderen SED-Funktionären aus der Partei ausgeschlossen. Dieser Vorgang stand im Zusammenhang mit dem Budapester Schauprozess gegen den ungarischen Außenminister Lázló Rajk und andere hohe Funktionäre. Bei diesem Prozess wurde der amerikanische Kommunist Noel Field, ehemaliger Leiter der Flüchtlingshilfsorganisation "Unitarian Service Committee" zur Schlüsselfigur einer imaginären Spionageorganisation stilisiert, die hochrangige Funktionäre einschloss. Das Verschwörungskonstrukt hatte eine ausgeprägt antisemitische Tendenz und diente der politischen Säuberung sowie der Schaffung von Sündenböcken, nicht nur in Ungarn. Auch Merker hatte im Exil Kontakt zu Field gehabt. Anders als andere "Belastete" wurde er aber zunächst nur aus der Partei ausgeschlossen und nicht verhaftet – wahrscheinlich weil der DDR-Staatspräsident Wilhelm Pieck seine Hand über ihn hielt. Zwei Jahre später aber, als es in Prag zu einem ähnlichen Schauprozess gegen kommunistische Spitzenfunktionäre gekommen war, nahm die Stasi am 30. November 1952 auch Merker fest.
Merker wusste genau, welche Rolle man ihm zugedacht hatte: die des Hauptangeklagten in einem ähnlichen Schauprozess wie in Budapest und Prag. Er war daher gut auf das vorbereitet, was ihn in der Untersuchungshaft erwartete. Die Stasi würde versuchen, ihn dahin zu bringen, sich selbst und andere kommunistische Kader als "imperialistische Agenten" zu beschuldigen. Die ersten Monate wurde Merker vom stellvertretenden Leiter des MfS-Untersuchungsorgans Kurt Richter und einem sowjetischen Offizier verhört. In dieser Zeit musste sich Merker die Zelle mit einem ehemaligen hauptamtlichen MfS-Mitarbeiter teilen, der wegen Gefangenenmisshandlung inhaftiert und als "Kammeragent" geworben worden war. Merker ahnte, dass sein Zellengenosse für das MfS arbeitete. Trotzdem sprach er sehr offen mit ihm, wohl um auf diese Weise auf einer zweiten Ebene mit seinen Peinigern zu kommunizieren.
Die in den Stasi-Akten überlieferten Aufzeichnungen des Zellenspitzels sind aufschlussreiche Dokumente und scheinen Merkers Worte weitgehend authentisch wiederzugeben:
"Die Vernehmungen im Zimmer 28 werden von einem Deutschen und einem Sowjetbürger gleichzeitig durchgeführt. Dabei sind Schimpfworte an der Tagesordnung. Ich bin mit Erschießen, 15 Jahren Zuchthaus und allem Möglichen bedroht worden. Als ich zu beiden Vernehmern mehrmals sagte, dass der Tod für mich eine Erlösung ist und ich mich nicht fürchte, drohten sie mir meine Familie ebenfalls zu vernichten. Das geht nun schon sieben Wochen so und jeden Tag wiederholt sich das Gleiche."
Die mir vorschreibt nichts zu tun was meinen Namen beschmutzt. Aber man verlangt etwas von mir, z. B. werden zu bestimmten Zeiten Aktionen gestartet, um die Geschichte nicht zu geben mussen dann Personen Agenten sein.
Das kann ich aber mit meinem Gewissen nicht vereinbaren trotzdem ist mein Leben sowieso verloren.
Ich habe nur zwei Möglichkeiten die im Prinzip aber an der ganzen Geschichte nichts ändern.
1. Möglichkeit meine Familie zu retten wenn ich die Namen meiner Freunde u. Bekannte nenne, die z. Teil Schurken sind, dann besiegel ich deren Festnahme und es ist ein großer Kreis von Personen.
2. Möglichkeit: Standhaft zu bleiben und die Namen nicht nennen, dann wird mein Name nicht mit in den Schmutz gezogen das bedeutet Gefahr für meine Familie. Aber mein Gewissen wäre dann sauber geblieben. Bei den Menschen die an mich glauben behalte ich die Achtung und es ist ein sehr großer Kreis von Personen, ich war sehr beliebt u. geachtet bei vielen Genossen in Deutschland u. im Ausland.
Was soll ich da nur machen, es muß ja einmal zu Ende gehen."
Ich sagte zu M.:
Wieso wollen Sie Schurken retten und die Familie schädigen. Pfeifen Sie auf die Meinung einiger Menschen und entlarven Sie die Schurken u. Feinde dann haben auch Sie noch den Vorteil mit einer geringeren Strafe wegzukommen.
[Unterstrichen: M. wollte sich die Sache noch überlegen.]
Mich warnte er davor, darüber mit einer 3. Person zu sprechen. Denn dieses Geheimnis sagte er wörtlich, kann mein Untergang sein.
[Unterschrift: Erwin B[unleserlich]]
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Konspirative Ermittlungsmethode, auch als "Maßnahme B" bezeichnet, wurde definiert als "akustische Überwachung in geschlossenen und von begrenzten freien Räumen". MfS-Techniker der Abteilung 26 bauten Abhöranlagen heimlich in Hotels, Haftanstalten, Wohn- und Geschäftsräumen ein. Raumüberwachungen wurden nicht nur in konkreten Verdachtsfällen veranlasst, sondern dienten teilweise auch der vorbeugenden Überwachung.
In den ersten Jahren stand das MfS unter einer engen fachlichen und politischen Anleitung durch die sowjetische Staatssicherheit, die mit sog. Beratern (anfangs auch Instrukteure genannt) in den wichtigsten Diensteinheiten des MfS präsent war. Die Berater besaßen dort faktisch Weisungs- und Vetobefugnisse.
Zunächst waren die Berater den jeweiligen Fachabteilungen des sowjetischen Geheimdienstapparates in der DDR zugeordnet. Nach dem Juniaufstand 1953 wurde eine eigene Beraterabteilung gebildet. Der Bevollmächtigte des sowjetischen Sicherheitsorgans in Berlin-Karlshorst war gleichzeitig der oberste Chefberater des MfS. Er leitete den jeweiligen Leiter der DDR-Staatssicherheit persönlich an.
Zum Zeitpunkt seiner Auflösung im November 1958 zählte der Beraterapparat 76 Offiziere. Später verblieb lediglich ein Stab von Verbindungsoffizieren, die keine Weisungskompetenz mehr gegenüber dem MfS besaßen.
Untersuchungshaft ist eine freiheitsentziehende Zwangsmaßnahme zur Sicherung des Strafverfahrens. Die Untersuchungshaft begann nach der Verkündung des Haftbefehls durch einen Richter und endete mit der Überstellung in den Strafvollzug nach Erlangung der Rechtskraft einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe, selten auch mit der Freilassung.
Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft waren ein dringender Tatverdacht sowie entweder Fluchtverdacht oder Verdunklungsgefahr (§ 112 StPO/1949, § 141 StPO/1952, § 122 StPO/1968). Der Vollzug der Untersuchungshaft war gesetzlich mit nur einem StPO-Paragraphen geregelt (§ 116 StPO/1949, § 147 StPO/1952, § 130 StPO/1968), alles Weitere in internen Ordnungen. Er erfolgte für Beschuldigte, deren Ermittlungsverfahren von der Staatssicherheit geführt wurden, in MfS-Untersuchungshaftanstalten in Berlin bzw. den Bezirksstädten der DDR.
Die Haftbedingungen waren dort von Willkür, völliger Isolation und daraus resultierender Desorientierung der Häftlinge gekennzeichnet. Für den Vollzug der Untersuchungshaft war im MfS die Linie XIV (Abt. XIV) zuständig; die Vernehmungen oblagen den Untersuchungsführern der Linie IX (HA IX).
Ein Untersuchungsvorgang war eine bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren des MfS und ggf. dem späteren Gerichtsverfahren entstandene Akte, die den Hergang des Strafverfahrens widerspiegelt und auch häufig Informationen zur Strafvollstreckung enthält.
Untersuchungsvorgänge zeigen die offizielle wie auch die inoffizielle Ebene des Verfahrens. Sie enthalten sowohl das strafprozessual legale Material (Haftbefehl, Vernehmungsprotokolle, Anklageschrift, Verhandlungsprotokoll, Urteil u. a.) als auch Dokumente geheimpolizeilichen Charakters, etwa zu konspirativen Ermittlungsmaßnahmen operativer Abteilungen oder Berichte von Zelleninformatoren.
Ein archivierter Untersuchungsvorgang kann bis zu sieben Bestandteile umfassen: Gerichtsakte, Beiakte zur Gerichtsakte, Handakte zur Gerichtsakte, Handakte zum Ermittlungsverfahren, Beiakte zur Handakte des Ermittlungsverfahrens, manchmal auch Vollstreckungsakten und ggf. die Akte des Revisions- oder Kassationsverfahrens.
Zelleninformatoren (in den ersten Jahren des MfS auch als Kammeragenten, KA, bezeichnet) waren spezielle inoffizielle Mitarbeiter (zumeist Untersuchungshäftlinge, zuweilen auch Strafgefangene), die das Untersuchungsorgan (HA IX) des MfS in den eigenen Haftanstalten (Abt. XIV, Haft im MfS) einsetzte, um Untersuchungshäftlinge zu kontrollieren, auszuhorchen und zu beeinflussen. Sie dienten der verdeckten Informationsbeschaffung im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen, der Einwirkung auf die Aussagebereitschaft von Beschuldigten und der Aufrechterhaltung des U-Haft-Regimes.
Der Einsatz von Zelleninformatoren im MfS ging auf die sowjetische Geheimpolizei zurück und wurde seit den Anfängen praktiziert, war aber, wie die entsprechende Aktenführung, lange Zeit nicht detailliert geregelt. Die Berichte der Zelleninformatoren wurden zumeist in den Untersuchungsvorgängen der ausgeforschten Beschuldigten abgelegt. Erst 1981 wurde eine Richtlinie zur Arbeit mit Zelleninformatoren erlassen, die durch strenge Autorisierungs-, Konspirations- und Aktenführungsregelungen gekennzeichnet war.
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Signatur: BStU, MfS, AU, Nr. 192/56, Bd. 3, Bl. 202-208
Der SED-Funktionär Paul Merker wurde 1952 Opfer haltloser Beschuldigungen, die ihn zum Protagonisten einer gegen die kommunistische Herrschaft gerichteten internationalen Verschwörung stempelten. Dieses Konstrukt wies ausgeprägte antisemitische Tendenzen auf und diente der politischen Säuberung und Einschüchterung. Während seiner Haft teilte Paul Merker seine Zelle mit einem Spitzel der Staatssicherheit.
Paul Merker war maßgeblich am Aufbau der SED-Herrschaft in Ostdeutschland beteiligt. Wie viele der Gründerväter der DDR war er schon in der Weimarer Zeit ein hochrangiger kommunistischer Politiker: Mitglied des Politbüros der KPD, Abgeordneter des Preußischen Landtages sowie Reichsleiter der sogenannten Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO). Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wirkte er ab 1936 zunächst in der Exil-Führung der KPD in Frankreich. 1942 floh er dann nach Mexiko, wo er als KPD-Politbüromitglied und Sekretär des Lateinamerikanischen Komitees der Bewegung "Freies Deutschland" die bestimmende Figur in der kommunistischen Emigration war. Nach Kriegsende wurde er 1946 ins Zentralsekretariat der SED berufen und blieb auch 1949 – nach dessen Umwandlung zum Politbüro – Mitglied im höchsten Parteigremium.
Am 22. August 1950, nicht einmal ein Jahr nach der Staatsgründung der DDR, wurde Merker zusammen mit anderen SED-Funktionären aus der Partei ausgeschlossen. Dieser Vorgang stand im Zusammenhang mit dem Budapester Schauprozess gegen den ungarischen Außenminister Lázló Rajk und andere hohe Funktionäre. Bei diesem Prozess wurde der amerikanische Kommunist Noel Field, ehemaliger Leiter der Flüchtlingshilfsorganisation "Unitarian Service Committee" zur Schlüsselfigur einer imaginären Spionageorganisation stilisiert, die hochrangige Funktionäre einschloss. Das Verschwörungskonstrukt hatte eine ausgeprägt antisemitische Tendenz und diente der politischen Säuberung sowie der Schaffung von Sündenböcken, nicht nur in Ungarn. Auch Merker hatte im Exil Kontakt zu Field gehabt. Anders als andere "Belastete" wurde er aber zunächst nur aus der Partei ausgeschlossen und nicht verhaftet – wahrscheinlich weil der DDR-Staatspräsident Wilhelm Pieck seine Hand über ihn hielt. Zwei Jahre später aber, als es in Prag zu einem ähnlichen Schauprozess gegen kommunistische Spitzenfunktionäre gekommen war, nahm die Stasi am 30. November 1952 auch Merker fest.
Merker wusste genau, welche Rolle man ihm zugedacht hatte: die des Hauptangeklagten in einem ähnlichen Schauprozess wie in Budapest und Prag. Er war daher gut auf das vorbereitet, was ihn in der Untersuchungshaft erwartete. Die Stasi würde versuchen, ihn dahin zu bringen, sich selbst und andere kommunistische Kader als "imperialistische Agenten" zu beschuldigen. Die ersten Monate wurde Merker vom stellvertretenden Leiter des MfS-Untersuchungsorgans Kurt Richter und einem sowjetischen Offizier verhört. In dieser Zeit musste sich Merker die Zelle mit einem ehemaligen hauptamtlichen MfS-Mitarbeiter teilen, der wegen Gefangenenmisshandlung inhaftiert und als "Kammeragent" geworben worden war. Merker ahnte, dass sein Zellengenosse für das MfS arbeitete. Trotzdem sprach er sehr offen mit ihm, wohl um auf diese Weise auf einer zweiten Ebene mit seinen Peinigern zu kommunizieren.
Die in den Stasi-Akten überlieferten Aufzeichnungen des Zellenspitzels sind aufschlussreiche Dokumente und scheinen Merkers Worte weitgehend authentisch wiederzugeben:
"Die Vernehmungen im Zimmer 28 werden von einem Deutschen und einem Sowjetbürger gleichzeitig durchgeführt. Dabei sind Schimpfworte an der Tagesordnung. Ich bin mit Erschießen, 15 Jahren Zuchthaus und allem Möglichen bedroht worden. Als ich zu beiden Vernehmern mehrmals sagte, dass der Tod für mich eine Erlösung ist und ich mich nicht fürchte, drohten sie mir meine Familie ebenfalls zu vernichten. Das geht nun schon sieben Wochen so und jeden Tag wiederholt sich das Gleiche."
Am 18.01. wurde kein weiteres Gespräch geführt.
[Unterstrichen und am Rand markiert: Meiner Meinung nach wird M. bei der Vernehmung alles erzählen wenn seine Familie in Gefahr ist.]
Er ist ein alter verschlagener Fuchs u. nannte weder seinen noch andere Namen.
[Unterschrift unleserlich]
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Untersuchungshaft ist eine freiheitsentziehende Zwangsmaßnahme zur Sicherung des Strafverfahrens. Die Untersuchungshaft begann nach der Verkündung des Haftbefehls durch einen Richter und endete mit der Überstellung in den Strafvollzug nach Erlangung der Rechtskraft einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe, selten auch mit der Freilassung.
Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft waren ein dringender Tatverdacht sowie entweder Fluchtverdacht oder Verdunklungsgefahr (§ 112 StPO/1949, § 141 StPO/1952, § 122 StPO/1968). Der Vollzug der Untersuchungshaft war gesetzlich mit nur einem StPO-Paragraphen geregelt (§ 116 StPO/1949, § 147 StPO/1952, § 130 StPO/1968), alles Weitere in internen Ordnungen. Er erfolgte für Beschuldigte, deren Ermittlungsverfahren von der Staatssicherheit geführt wurden, in MfS-Untersuchungshaftanstalten in Berlin bzw. den Bezirksstädten der DDR.
Die Haftbedingungen waren dort von Willkür, völliger Isolation und daraus resultierender Desorientierung der Häftlinge gekennzeichnet. Für den Vollzug der Untersuchungshaft war im MfS die Linie XIV (Abt. XIV) zuständig; die Vernehmungen oblagen den Untersuchungsführern der Linie IX (HA IX).
Ein Untersuchungsvorgang war eine bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren des MfS und ggf. dem späteren Gerichtsverfahren entstandene Akte, die den Hergang des Strafverfahrens widerspiegelt und auch häufig Informationen zur Strafvollstreckung enthält.
Untersuchungsvorgänge zeigen die offizielle wie auch die inoffizielle Ebene des Verfahrens. Sie enthalten sowohl das strafprozessual legale Material (Haftbefehl, Vernehmungsprotokolle, Anklageschrift, Verhandlungsprotokoll, Urteil u. a.) als auch Dokumente geheimpolizeilichen Charakters, etwa zu konspirativen Ermittlungsmaßnahmen operativer Abteilungen oder Berichte von Zelleninformatoren.
Ein archivierter Untersuchungsvorgang kann bis zu sieben Bestandteile umfassen: Gerichtsakte, Beiakte zur Gerichtsakte, Handakte zur Gerichtsakte, Handakte zum Ermittlungsverfahren, Beiakte zur Handakte des Ermittlungsverfahrens, manchmal auch Vollstreckungsakten und ggf. die Akte des Revisions- oder Kassationsverfahrens.
Zelleninformatoren (in den ersten Jahren des MfS auch als Kammeragenten, KA, bezeichnet) waren spezielle inoffizielle Mitarbeiter (zumeist Untersuchungshäftlinge, zuweilen auch Strafgefangene), die das Untersuchungsorgan (HA IX) des MfS in den eigenen Haftanstalten (Abt. XIV, Haft im MfS) einsetzte, um Untersuchungshäftlinge zu kontrollieren, auszuhorchen und zu beeinflussen. Sie dienten der verdeckten Informationsbeschaffung im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen, der Einwirkung auf die Aussagebereitschaft von Beschuldigten und der Aufrechterhaltung des U-Haft-Regimes.
Der Einsatz von Zelleninformatoren im MfS ging auf die sowjetische Geheimpolizei zurück und wurde seit den Anfängen praktiziert, war aber, wie die entsprechende Aktenführung, lange Zeit nicht detailliert geregelt. Die Berichte der Zelleninformatoren wurden zumeist in den Untersuchungsvorgängen der ausgeforschten Beschuldigten abgelegt. Erst 1981 wurde eine Richtlinie zur Arbeit mit Zelleninformatoren erlassen, die durch strenge Autorisierungs-, Konspirations- und Aktenführungsregelungen gekennzeichnet war.
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Abschrift des Vernehmungsprotokolls von Paul Merker Dokument, 2 Seiten
Einlieferungsanzeige von Paul Merker wegen "Agententätigkeit" Dokument, 1 Seite
Schlusswort Manfred Smolkas beim Strafprozess vor dem Bezirksgericht Erfurt Audio, 42 Minuten, 25 Sekunden
Sachstandsbericht zum Untersuchungsvorgang Paul Merker Dokument, 3 Seiten