Signatur: BStU, MfS, HA XXII, Nr. 19179, Bl. 111-116
Mitte der achtziger Jahre kühlte sich das Verhältnis zwischen Stasi und RAF merklich ab. Dennoch ließ die Geheimpolizei auch die dritte Generation der Terrorgruppe nicht aus dem Blick. Aus MfS-Sicht galt es nunmehr, über das Handeln der Terroristen Bescheid zu wissen, ohne diese allzu offen zu unterstützen.
Zu Beginn der siebziger Jahre gründeten sich in der Bundesrepublik Deutschland linksterroristische Gruppen wie die Rote Armee Fraktion (RAF) und die Bewegung 2. Juni. Die Staatssicherheit sammelte zunächst Informationen über die Terroristen, beobachtete deren Aktivitäten und duldete ihre Reisen in den Nahen Osten über den Ostberliner Flughafen Schönefeld. Anfang der 80er Jahre intensivierten sich die Kontakte und die Staatssicherheit bot zehn RAF-Aussteigern Unterschlupf in der DDR.
Für die Staatssicherheit erwies es sich als schwieriger als gedacht, die ehemaligen RAF-Mitglieder in der DDR vor der westlichen Fahndung zu verbergen. Denn viele DDR-Bürger schauten Westfernsehen oder aber reisten im Rentenalter oder aus dienstlichen Gründen in die Bundesrepublik, wo in den siebziger und achtziger Jahre ungezählte Fahndungsplakate an vielen öffentlichen Orten hingen. Über die Zeit stellten so einige DDR-Bürger Ähnlichkeiten zwischen im Westen steckbrieflich gesuchten Tätern und den „neuen“ Arbeitskollegen, Nachbarn oder Bekannten fest.
Das Verhältnis der Staatssicherheit zur aktiven RAF hatte sich inzwischen merklich abgekühlt. Die RAF hatte sich noch mehr Unterstützung gewünscht, die Staatssicherheit hingegen hatte gehofft, die Linksterroristen mehr „vor den eigenen Karren spannen“ zu können. Überhaupt ging die Staatssicherheit in der zweiten Hälfte der 80er Jahre bei der Duldung und Unterstützung von Terrorgruppen (wie denen um Abu Nidal oder „Carlos“) nicht mehr so weit wie zu Beginn der Dekade. Darin war sich der ostdeutsche Geheimdienst auch mit seinen osteuropäischen „Bruderorganen“ (etwa in Ungarn und der CSSR) weitgehend einig.
Dennoch ließ die Staatssicherheit auch die nächste RAF-Generation nicht aus dem Blick. Das vorliegende Dokument zeigt die Sichtweise des MfS auf die aktive RAF nach einem Hungerstreik im Jahre 1984. Aus MfS-Sicht galt es nunmehr, über das Handeln der Terroristen Bescheid zu wissen, ohne diese allzu offen zu unterstützen.
Besonders die BRD/WB-Massenmedien wurden genutzt zur/zu
- Propagierung der gegnerischen Unterstellung einer Steuerung der Terroraktionen durch die Gefangenen,
- verfälschenden und diskriminierenden Darstellung der Haftbedingungen,
- Kriminalisierung der Unterstützer und Sympathisanten und deren Aktionen,
- Unterstützung der Fahndungsaktionen des Gegners,
- im weiteren Verlauf des Hungerstreiks (und speziell nach dem gemeinsamen Kommunique der "RAF" und "Action directe") zur Begründung der Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit der Sicherheitsorgane der betroffenen Länder bei der Terrorismusabwehr sowie
- antikommunistischer Hetze in Bezug auf eine Inspirierung und Unterstützung der Terroranschläge durch die sozialistischen Länder.
Bei öffentlichen Veranstaltungen zur Unterstützung des Hungerstreiks wurden durch gegnerische Sicherheitsorgane umfangreiche Fahndungs- und Beobachtungsmaßnahmen zur Erkennung von Unterstützern und Sympathisanten der "RAF" realisiert. Insbesondere erfolgte eine Aktualisierung und Vervollständigung der Erkenntnisse zu Personen, die zur polizeilichen Beobachtung - Terrorist (PB 07) ausgeschrieben sind. (Anlage 2)
Zur Verbesserung der Fahndungsarbeit wurde beim BKA Wiesbaden eine zentrale
Nachrichtensammel- und Informationsstelle (NABISTE)
über alle mit dem Hungerstreik in Verbindung stehende Aktivitäten eingerichtet.
Der Objekt- und Personenschutz wurde verstärkt. Zu PB 07-Personen wurden umfangreiche Ermittlungs- und Beobachtungsaufgaben realisiert. Die Grenzkontrollen wurden verschärft, dies betraf auch die Übergangsstellen zur DDR.
Im Rahmen der Fahndungsmaßnahmen nach der Ermordung von Zimmermann wurde durch das Bayrische Staatsministerium des Innern ein vorbereiteter Fahndungsmaßnahmekatalog mit dem Kennwort "Panther" ausgelöst. In diesem Katalog sind folgende Maßnahmen enthalten:
- Einrichtung zusätzlicher Kontrollstellen auf Straßen, Schienen und im Flugverkehr,
- ausnahmslose Kontrolle der aus der BRD ausreisenden Personen, einschließlich der Ausreise nach WB,
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Signatur: BStU, MfS, HA XXII, Nr. 19179, Bl. 111-116
Mitte der achtziger Jahre kühlte sich das Verhältnis zwischen Stasi und RAF merklich ab. Dennoch ließ die Geheimpolizei auch die dritte Generation der Terrorgruppe nicht aus dem Blick. Aus MfS-Sicht galt es nunmehr, über das Handeln der Terroristen Bescheid zu wissen, ohne diese allzu offen zu unterstützen.
Zu Beginn der siebziger Jahre gründeten sich in der Bundesrepublik Deutschland linksterroristische Gruppen wie die Rote Armee Fraktion (RAF) und die Bewegung 2. Juni. Die Staatssicherheit sammelte zunächst Informationen über die Terroristen, beobachtete deren Aktivitäten und duldete ihre Reisen in den Nahen Osten über den Ostberliner Flughafen Schönefeld. Anfang der 80er Jahre intensivierten sich die Kontakte und die Staatssicherheit bot zehn RAF-Aussteigern Unterschlupf in der DDR.
Für die Staatssicherheit erwies es sich als schwieriger als gedacht, die ehemaligen RAF-Mitglieder in der DDR vor der westlichen Fahndung zu verbergen. Denn viele DDR-Bürger schauten Westfernsehen oder aber reisten im Rentenalter oder aus dienstlichen Gründen in die Bundesrepublik, wo in den siebziger und achtziger Jahre ungezählte Fahndungsplakate an vielen öffentlichen Orten hingen. Über die Zeit stellten so einige DDR-Bürger Ähnlichkeiten zwischen im Westen steckbrieflich gesuchten Tätern und den „neuen“ Arbeitskollegen, Nachbarn oder Bekannten fest.
Das Verhältnis der Staatssicherheit zur aktiven RAF hatte sich inzwischen merklich abgekühlt. Die RAF hatte sich noch mehr Unterstützung gewünscht, die Staatssicherheit hingegen hatte gehofft, die Linksterroristen mehr „vor den eigenen Karren spannen“ zu können. Überhaupt ging die Staatssicherheit in der zweiten Hälfte der 80er Jahre bei der Duldung und Unterstützung von Terrorgruppen (wie denen um Abu Nidal oder „Carlos“) nicht mehr so weit wie zu Beginn der Dekade. Darin war sich der ostdeutsche Geheimdienst auch mit seinen osteuropäischen „Bruderorganen“ (etwa in Ungarn und der CSSR) weitgehend einig.
Dennoch ließ die Staatssicherheit auch die nächste RAF-Generation nicht aus dem Blick. Das vorliegende Dokument zeigt die Sichtweise des MfS auf die aktive RAF nach einem Hungerstreik im Jahre 1984. Aus MfS-Sicht galt es nunmehr, über das Handeln der Terroristen Bescheid zu wissen, ohne diese allzu offen zu unterstützen.
- ständige Besetzung der Grenzübergangsstellen mit Betriebsstunden,
- verstärkte Überwachung der "Grünen Grenze".
Nach dem Tod eines der Gefangenen war vorgesehen, daß die während des Hungerstreiks laufende verdeckte Fahndung, Beobachtung und Überwachung in eine offene (sogenannte Stoßstangenüberwachung) umgewandelt wird.
Trotz dieses massiven Einsatzes der Sicherheitskräfte ist dem Gegner kein größerer Fahndungserfolg gelungen.
Entgegen dem Hungerstreik von 1981, wo durch Unterstützer mehrfach Materialien an Vertreter ausländischer Staaten in der DDR und an staatliche und gesellschaftliche Organe verschickt worden sind, ist bei diesem Hungerstreik kein Fall bekannt geworden. Es wurde auch keine verstärkte Reisebewegung in der DDR durch erkannte Unterstützer bzw. Sympathisanten festgestellt. Beachtung in dar politisch-operativen Arbeit muß aber die verstärkte Hetze einer angeblichen Inspirierung und Unterstützung der terroristischen Organisationen durch die sozialistischen Länder finden. So wurden z.B. Meldungen verbreitet, wonach die Pläne für die Anschläge auf die NATO-Pipelines in der BRD und in Belgien von der DDR bereitgestellt worden sind, der verwendete Sprengstoff und verschiedene Waffen tschechischer bzw. sowjetischer Herkunft sind und daß in Berlin, Hauptstadt der DDR, eine Konferenz zwischen Vertretern der PLO und antiimperialistischer Kräfte stattgefunden hat.
Ungeachtet der klaren Haltung der sozialistischen Staaten zum Terrorismus wird vom Gegner versucht, die wahren Ursachen für den Hungerstreik, die vielfältigen Aktionen während des Hungerstreiks und insbesondere die pseudorevolutionären Aktionen der "RAF" und der "Action directe" zur Anheizung des Antikommunismus und der Diffamierung und Diskriminierung der sozialistischen Staaten zu nutzen.
Zusammenfassend kann zu den Ergebnissen des Hungerstreikes folgende Einschätzung getroffen werden:
- die in der Hungerstreikerklärung vom 20.12.1984 formulierten Zielstellungen wurden in keinem Punkt erreicht. Gegenüber dem Hungerstreik von 1981 waren die BRD-Justizorgane nicht einmal zu Gesprächen über die Forderungen bereit,
- der Hungerstreik brachte eine Mobilisierung der Unterstützer und Sympathisanten der "RAF", die in den durchgeführten Aktionen, auch hinsichtlich der zunehmenden Militanz, ihren Niederschlag fand,
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Signatur: BStU, MfS, HA XXII, Nr. 19179, Bl. 111-116
Mitte der achtziger Jahre kühlte sich das Verhältnis zwischen Stasi und RAF merklich ab. Dennoch ließ die Geheimpolizei auch die dritte Generation der Terrorgruppe nicht aus dem Blick. Aus MfS-Sicht galt es nunmehr, über das Handeln der Terroristen Bescheid zu wissen, ohne diese allzu offen zu unterstützen.
Zu Beginn der siebziger Jahre gründeten sich in der Bundesrepublik Deutschland linksterroristische Gruppen wie die Rote Armee Fraktion (RAF) und die Bewegung 2. Juni. Die Staatssicherheit sammelte zunächst Informationen über die Terroristen, beobachtete deren Aktivitäten und duldete ihre Reisen in den Nahen Osten über den Ostberliner Flughafen Schönefeld. Anfang der 80er Jahre intensivierten sich die Kontakte und die Staatssicherheit bot zehn RAF-Aussteigern Unterschlupf in der DDR.
Für die Staatssicherheit erwies es sich als schwieriger als gedacht, die ehemaligen RAF-Mitglieder in der DDR vor der westlichen Fahndung zu verbergen. Denn viele DDR-Bürger schauten Westfernsehen oder aber reisten im Rentenalter oder aus dienstlichen Gründen in die Bundesrepublik, wo in den siebziger und achtziger Jahre ungezählte Fahndungsplakate an vielen öffentlichen Orten hingen. Über die Zeit stellten so einige DDR-Bürger Ähnlichkeiten zwischen im Westen steckbrieflich gesuchten Tätern und den „neuen“ Arbeitskollegen, Nachbarn oder Bekannten fest.
Das Verhältnis der Staatssicherheit zur aktiven RAF hatte sich inzwischen merklich abgekühlt. Die RAF hatte sich noch mehr Unterstützung gewünscht, die Staatssicherheit hingegen hatte gehofft, die Linksterroristen mehr „vor den eigenen Karren spannen“ zu können. Überhaupt ging die Staatssicherheit in der zweiten Hälfte der 80er Jahre bei der Duldung und Unterstützung von Terrorgruppen (wie denen um Abu Nidal oder „Carlos“) nicht mehr so weit wie zu Beginn der Dekade. Darin war sich der ostdeutsche Geheimdienst auch mit seinen osteuropäischen „Bruderorganen“ (etwa in Ungarn und der CSSR) weitgehend einig.
Dennoch ließ die Staatssicherheit auch die nächste RAF-Generation nicht aus dem Blick. Das vorliegende Dokument zeigt die Sichtweise des MfS auf die aktive RAF nach einem Hungerstreik im Jahre 1984. Aus MfS-Sicht galt es nunmehr, über das Handeln der Terroristen Bescheid zu wissen, ohne diese allzu offen zu unterstützen.
mit dem Hungerstreik konnte die "RAF" ihre Handlungsfähigkeit durch die Rekrutierung von 10 neuen Mitgliedern wieder herstellen,
- der Hungerstreik und die im Zusammenhang entwickelten Aktivitäten, diente dem Gegner zur weiteren Durchsetzung von Repressivmaßnahmen gegenüber den linken Kräften in der BRD, zur umfassenden Erweiterung seiner Erkenntnisse über Personen des Unterstützer-und Sympathisantenkreises der "RAF" und zur Anheizung des Antikommunismus einschließlich der Diffamierung und Diskriminierung der sozialistischen Staaten,
- die während des Hungerstreiks veröffentlichten Erklärungen der "RAF", "Action directe" und "CCC" dienten der USA und BRD dazu, das gemeinsame Vorgehen gegen den sogenannten "Euroterrorismus" bei den westeuropäischen Natopartnern durchzusetzen.
In Auswertung des Hungerstreikes ergeben sich für die weitere politisch-operative Arbeit nachfolgende Schlußfolgerungen:
- Die neu erkannten "RAF"-Mitglieder, die aktiven Unterstützer und Sympathisanten werden zur Verhinderung von Diskriminierungs-und Diffamierungsmaßnahmen des Gegners gegenüber der DDR unter operative Personenkontrolle gestellt. Zu diesen Personen sind differenzierte Fahndungsmaßnahmen auf der Grundlage von erarbeiteten Entscheidungsvarianten zu realisieeen.
- Das zum militanten und extremistischen Umfeld der "RAF" vorhandene Material ist zielgerichtet, unter Einsatz der IM und operativen Kontakte im Operationsgebiet weiter zu verdichten und zur Entscheidungsvorbereitung, hinsichtlich der aktiven operativen Bearbeitung aufzubereiten.
- In den Treffs mit Kontaktpersonen und inoffiziellen Mitarbeitern aus dem Operationsgebiet muß konsequent die Politik der DDR vertreten werden. Das hat differenziert und abgestimmt, entsprechend dem ideologischen Standpunkt des
Partners und dem Stand der Beziehungen zu erfolgen.
- Durch die Unterstützer der "RAF" wird die neue Politik der "RAF" allseitig befürwortet und der Ausgang des Hungerstreiks als Erfolg gewertet.
Ihr Ziel ist es jetzt, daß diese Aktivierung in einem kontinuierlichen Prozeß umgewandelt wird, d.h., daß die militanten Aktionen in Qualität und Quantität fortgeführt werden. Es muß auch davon ausgegangen werden, daß sich einzelne Aktionen entsprechend der neuen "RAF"-Politik bewußt gegen Menschen richten.
- Da andere militante linksextremistische Gruppen und Kräfte, die ihre Aktionen auch gegen die Realisierung des NATO-Hochrüstungskurs richten, die neue "RAF"-Politik - bewußte Vernichtung von Menschenleben - ablehnen, ergeben sich Ansatzpunkte einer stärkeren Differenzierung bei der politisch-operativen Bearbeitung dieser Kräfte.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Mit Operationsgebiet bezeichnete das MfS zusammenfassend alle Länder, in denen bzw. gegen die es geheimdienstliche Aktionen durchführte. Zumeist waren damit die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin gemeint, der Begriff konnte aber auch jedes andere westliche oder neutrale Land einschließen. Aufgrund besonderer innenpolitischer Entwicklungen galten 1968/69 auch die Tschechoslowakei, spätestens seit den 70er Jahren faktisch Rumänien und in den 80er Jahren auch Polen als Operationsgebiet.
Die OPK wurde 1971 in Abgrenzung zum Operativen Vorgang eingeführt. Auf der Grundlage der MfS-Richtlinien 1/71 und 1/81 zielte sie auf die Überprüfung von Verdachtsmomenten zu Verbrechen und Straftaten, das Erkennen "feindlich-negativer" Haltungen, aber auch den vorbeugenden Schutz von Personen in sicherheitsrelevanten Positionen. Auch Ausländer konnten unter OPK gestellt werden.
Zur Informationsbeschaffung wurden staatliche Organe, Betriebe und Institute, gesellschaftliche Organisationen, die Deutsche Volkspolizei und andere Stellen sowie, wenn erforderlich, operative Mittel und Methoden einbezogen. Die OPK endete mit einem Abschlussbericht. Die bearbeitete Person galt bis dahin als aktiv erfasst, da OPK zu den registrierpflichtigen Vorgängen zählten.
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Fahndungsergebnisse und Sicherheitsvorkehrungen in der Bundesrepublik in Bezug auf die RAF Dokument, 9 Seiten
Angeblicher Drohbrief der RAF zu einem Anschlag auf das Hamburger Volksparkstadion während der WM 1974 Dokument, 2 Seiten
Eröffnungsbericht zur OPK "Klausen, Gerhard" gegen Wolfgang Grams Dokument, 3 Seiten
Eröffnungsbericht zum Operativen Vorgang "Stern I" zur Überwachung von RAF-Mitgliedern Dokument, 3 Seiten