Koordiniertes Vorgehen der "staatlichen Organe"
Die Stasi reagierte in Abstimmung mit der Volkspolizei sowie mit weiteren "staatlichen Organen" der DDR. Ziel war es, die "negativ-dekadenten" Jugendlichen von Wasungen fernzuhalten.
Signatur: BStU, MfS, BV Suhl, Abt. XX, Nr. 486, Bd. 3, Bl. 8
Ab den 1970er Jahren zog es unangepasste Jugendliche aus der gesamten DDR zum Wasunger Karneval. Neben den Jugendlichen gerieten auch Quartiergeber in Wasungen in das Visier des MfS.
Der traditionsreiche Wasunger Karneval wurde Mitte der 1970er Jahre zu einem beliebten Reiseziel unangepasster Jugendlicher. Sie wollten dem grauen DDR-Alltag entfliehen und suchten in der thüringischen Provinz ein paar Tage voller Spaß, Alkohol und Abwechslung. Die selbsternannten "Kunden" wurden dabei durch die Stasi systematisch überwacht, wie aufgefundene Unterlagen, Fotografien und Filme dokumentieren.
Aus der gesamten DDR reisten Jugendliche in die thüringische Provinz. Ihre Ausrüstung bestand oft nur aus einigen Flaschen Bier und einer Decke. Wer die Kontrollpunkte der Transport- und Volkspolizei passieren konnte und es bis Wasungen schaffte, übernachtete dort, wo er konnte: in Schlafsälen, in Kellern, in Scheunen oder auf Dachböden. In der Besuchermenge bildeten die "Kunden" eine Gruppe, die sich deutlich von dem traditionellen Karnevalsumzug abhob. Statt Prinzenkostüm oder Narrenkappe trugen sie lange Haare, Bärte, Jeans und Parka.
Die unkontrollierte Ankunft von mehreren hundert unangepassten Jugendlichen forderte die "staatlichen Organe" der DDR heraus. Denn die "Kunden" folgten nicht dem Umzugstreiben oder lauschten den Büttenreden, sondern sie stürmten überfallartig die wenigen Kneipen der Kleinstadt.
Als Mitarbeiter der MfS-Kreisdienststelle Oranienburg einen Jugendlichen befragten, wurde ein Bürger aus Wasungen als Quartiergeber bekannt. Vier Personen aus dem Kreis Oranienburg bekamen die behördliche Auflage nicht in die thüringische Provinz zu reisen. Die Informationen zum Quartiergeber aus Wasungen wurden umgehend an die MfS-Bezirksverwaltung Suhl, Abteilung XX, und an die Kreisdienststelle Meiningen weitergeleitet.
KD Oranienburg
Oranienburg, den 12.01.85
Operative Information Nr. 5/ 85
Im Ergebnis einer zeugenschaftlichen Befragung einer Person aus unserem Verantwortungsbereich wurde bekannt, dass die Person [anonymisiert], wohnhaft: Wasungen, anlässlich des Karnevals als Quartiergeber in Erscheinung tritt.
Es war beabsichtigt, dass 4 Personen unseres Verantwortungsbereiches am 13.02.85 mit dem [anonymisiert] in der Gaststätte "Paradies" zusammentreffen und dieser ihnen dann in seiner Wohnung Quartier gewähren wollte.
Unsererseits erfolgte eine vorübergehende Beauflagung dieser Personen, nicht nach Wasungen zu fahren.
[Unterschrift]
Adameck
Hptm.
Verteiler:
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Strafprozessrechtlich zulässige Möglichkeit der offiziellen Kontaktaufnahme mit Verdächtigen, Zeugen und anderen Personen noch vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (strafprozessuales Prüfungsstadium). Verdächtige konnten gemäß § 95 StPO/1968 zur Befragung zugeführt werden (Zuführung). Vom MfS wurde die B. gelegentlich als demonstrative Maßnahme zur Einschüchterung Oppositioneller genutzt, gegen die aus politischen Gründen kein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden sollte.
Vorgangsart von 1953 bis 1960. In Beobachtungsvorgängen wurden Personen erfasst, die als potenziell oder tatsächlich politisch unzuverlässig oder feindlich eingestellt galten und daher vorbeugend beobachtet wurden. Dazu gehörten etwa ehemalige NS-Funktionsträger, ehemalige Sozialdemokraten, Teilnehmer an den Aktionen des 17. Juni 1953 sowie Personen, die aus dem Westen zugezogen waren. Die Vorgangsart verlor nach und nach an Bedeutung. 1960 gingen noch bestehende Beobachtungsvorgänge in den zugehörigen Objektvorgängen auf. Der Beobachtungsvorgang war zentral in der Abteilung XII zu registrieren, die betroffenen Personen in der zentralen Personenkartei F 16 zu erfassen.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Die Kreisdienststellen waren neben den Objektdienststellen die territorial zuständigen Diensteinheiten. Sie waren entsprechend den regionalen Gegebenheiten unterschiedlich strukturiert und personell ausgestattet. Einige verfügten über ein Referat zur komplexen Spionageabwehr oder zur Sicherung der Volkswirtschaft und andere nur über spezialisierte Mitarbeiter in diesen Bereichen. Ihre Aufgaben waren die Kontrolle der Wirtschaft, des Verkehrswesens, des Staatsapparates, des Gesundheitswesens, der kulturellen Einrichtungen, der Volksbildung, ggf. von Einrichtungen des Hoch- und Fachschulwesens, wissenschaftlich-technischer Einrichtungen sowie die Überwachung besonders interessierender Personenkreise.
Die Kreisdienststellen waren maßgeblich an den Genehmigungsverfahren für dienstliche bzw. private Auslandsreisen beteiligt, führten Sicherheitsüberprüfungen durch und erstellten Stimmungs- und Lageberichte. Zur Realisierung der Aufgaben bedurfte es einer engen Zusammenarbeit mit den Partnern des POZW, insbesondere mit der Volkspolizei, den Räten und anderen Einrichtungen der Kreise. Die Kreisdienststellen unterhielten ständige Verbindungen zu den SED Kreisleitungen. Zwei Drittel der hauptamtlichen Mitarbeiter der Kreisdienststellen waren operativ tätig. Die Kreisdienststellen führten 50 Prozent der IM und bearbeiteten etwa 60 Prozent der OV zu einzelnen Personen oder Gruppen.
Die Kreisdienststellen gliederten sich in 2 bis 16 Fachreferate sowie das Referat Auswertung und Information (ZAIG) und die Wache/Militärische Sicherungsgruppe. In jeder Kreisdienststelle gab es einen Offizier, der teilweise oder ganz (IM-führender Mitarbeiter/XV) für die Belange der HV A vor Ort zuständig war.
Die Stasi reagierte in Abstimmung mit der Volkspolizei sowie mit weiteren "staatlichen Organen" der DDR. Ziel war es, die "negativ-dekadenten" Jugendlichen von Wasungen fernzuhalten.
Signatur: BStU, MfS, BV Suhl, BdL, Nr. 1351, Bl. 1-7
Die MfS-Bezirksverwaltung Suhl erarbeitete Anfang Februar 1980 einen Maßnahmeplan. In Zusammenarbeit mit anderen "staatlichen Organen" der DDR wollte man Störungen des Wasunger Karnevals durch unangepasste Jugendliche verhindern.
Der traditionsreiche Wasunger Karneval wurde Mitte der 1970er Jahre zu einem beliebten Reiseziel unangepasster Jugendlicher. Sie wollten dem grauen DDR-Alltag entfliehen und suchten in der thüringischen Provinz ein paar Tage voller Spaß, Alkohol und Abwechslung. Die selbsternannten "Kunden" wurden dabei durch die Stasi systematisch überwacht, wie aufgefundene Unterlagen, Fotografien und Filme dokumentieren.
Aus der gesamten DDR reisten Jugendliche in die thüringische Provinz. Ihre Ausrüstung bestand oft nur aus einigen Flaschen Bier und einer Decke. Wer die Kontrollpunkte der Transport- und Volkspolizei passieren konnte und es bis Wasungen schaffte, übernachtete dort, wo er konnte: in Schlafsälen, in Kellern, in Scheunen oder auf Dachböden. In der Besuchermenge bildeten die "Kunden" eine Gruppe, die sich deutlich von dem traditionellen Karnevalsumzug abhob. Statt Prinzenkostüm oder Narrenkappe trugen sie lange Haare, Bärte, Jeans und Parka.
Das Hauptaugenmerk des MfS lag darauf "negativ-dekadente" Jugendliche möglichst gar nicht bis Wasungen kommen zu lassen. Die unter anderem für die Überwachung von Jugendlichen zuständige Abteilung XX übernahm hierbei die Federführung. Das MfS arbeitete eng mit der Volkspolizei sowie mit dem Rat des Kreises in Meiningen und dem Rat der Gemeinde in Wasungen zusammen. Einsetzen wollte die MfS-Bezirksverwaltung Suhl Mitarbeiter der Abteilungen II (Spionageabwehr), VI (Passkontrolle, Tourismus, Reiseverkehr), VII (Ministerium des Innern), VIII (Festnahme, Beobachtung, Durchsuchung, Fahndung), IX (Untersuchungsorgan), XIX (Verkehr, Post und Nachrichtenwesen) sowie der Kreisdienststelle Meiningen.
Personen, die durch die Geheimpolizei in "Operativen Personenkontrollen" und "Operativen Vorgängen" registriert waren, wollten MfS-Mitarbeiter für die Zeit des Wasunger Karnevals "unter Kontrolle" halten, um sie von "Demonstrativhandlungen" abzubringen. Zugleich sollten etwaige Fluchtversuche über die nicht weit entfernte innerdeutsche Grenze verhindert sowie bundesdeutsche Besucher und Journalisten überwacht werden, die regelmäßig an dem närrischen Treiben in Wasungen teilnahmen.
Unterzeichnet ist der Maßnahmeplan vom Leiter der Bezirksverwaltung Suhl, Generalmajor Heinz Pommer.
Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Suhl
Leiter
9. Februar 1980
Vertrauliche Verschlußsache
Uul 002 Nr. 13/80
1. Ausf., 7 Blatt
Maßnahmeplan zur vorbeugenden Verhinderung und Bearbeitung von Erscheinungen der politischen Untergrundtätigkeit in Vorbereitung und Durchführung des "Wasunger Karnevals" in der Zeit vom 15.2.80 bis 20.2.80
Die politisch-operativen Sicherungsmaßnahmen zur Verhinderung und Bearbeitung von Erscheinungen der politischen Untergrundtätigkeit in Vorbereitung und Durchführung des "Wasunger Karnevals" 1980 sind auf der Grundlage der VVS 5/66, 8/78 und 42/78 des Genossen Minister mit dem Ziel
durchzuführen.
Zur Durchsetzung und Koordinierung aller politisch-operativen Maßnahmen wird in der Zeit vom 15.2.1980, 08.00 Uhr, bis 20.2.1980, 08.00 Uhr unter Leitung meines Stellvertreters Operativ, Oberstleutnant Dr. Mangold, ein operativer Einsatzstab in der Bezirksverwaltung gebildet.
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Als Abwehr wurden alle geheimpolizeilichen Aktivitäten zur Sicherung der politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Stabilität der DDR und des kommunistischen Bündnissystems bezeichnet, die nach dem Verständnis des MfS durch feindliche Angriffe gefährdet waren. Maßnahmen zur Bekämpfung westlicher Spionage und politischer Opposition galten somit ebenso als Abwehr wie etwa die Sicherung von Produktivität und Anlagensicherheit in den Betrieben sowie die Verhinderung von Republikflucht und Ausreisen. Demgemäß waren die meisten operativen Arbeitsbereiche des MfS ganz überwiegend mit Abwehr befasst.
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
1956 entstanden durch Umbenennung der Abteilung Allgemeines. Aufgaben des Büros der Leitung waren unter anderem
Die Durchsuchung von Wohnungen, Räumen oder Personen war eine strafprozessuale Maßnahme im Ermittlungsverfahren zum Zwecke der Festnahme oder Verhaftung Verdächtiger bzw. zum Auffinden von Beweismaterial (§§ 108–119 StPO/1968). Eine Durchsuchung musste vom Staatsanwalt bzw. konnte bei Gefahr im Verzuge auch von den Untersuchungsorganen angeordnet werden und bedurfte einer richterlichen Bestätigung binnen 48 Stunden (§ 121 StPO/1968). Die Durchsuchung oblag eigentlich den Untersuchungsorganen, formal im MfS also der Linie IX (Hauptabteilung IX). Tatsächlich wurden sie aber regulär von Mitarbeitern der Linie VIII (Hauptabteilung VIII) durchgeführt.
Die Durchsuchung Verhafteter und vorläufig Festgenommener konnte ohne staatsanwaltliche Anordnung durchgeführt werden und bedurfte keiner richterlichen Bestätigung (§ 109 StPO/1968); sie wurde im MfS von den – formal nicht zuständigen – Mitarbeitern der Linie XIV (Abteilung XIV) durchgeführt. Außerhalb des Ermittlungsverfahrens war die Durchsuchung von Personen und Sachen durch Polizei und MfS polizeirechtlich geregelt (§ 13 VP-Gesetz). Vom MfS wurden die Möglichkeiten der Durchsuchung und Beschlagnahme auch außerhalb des jeweiligen strafprozessualen Ermittlungsverfahrens für geheimdienstliche Zwecke genutzt. Jenseits jeglicher rechtlicher Regelungen führten operative Diensteinheiten des MfS, vor allem die Linie VIII (Hauptabteilung VIII), auch konspirative Wohnungsdurchsuchungen durch.
Die Kreisdienststellen waren neben den Objektdienststellen die territorial zuständigen Diensteinheiten. Sie waren entsprechend den regionalen Gegebenheiten unterschiedlich strukturiert und personell ausgestattet. Einige verfügten über ein Referat zur komplexen Spionageabwehr oder zur Sicherung der Volkswirtschaft und andere nur über spezialisierte Mitarbeiter in diesen Bereichen. Ihre Aufgaben waren die Kontrolle der Wirtschaft, des Verkehrswesens, des Staatsapparates, des Gesundheitswesens, der kulturellen Einrichtungen, der Volksbildung, ggf. von Einrichtungen des Hoch- und Fachschulwesens, wissenschaftlich-technischer Einrichtungen sowie die Überwachung besonders interessierender Personenkreise.
Die Kreisdienststellen waren maßgeblich an den Genehmigungsverfahren für dienstliche bzw. private Auslandsreisen beteiligt, führten Sicherheitsüberprüfungen durch und erstellten Stimmungs- und Lageberichte. Zur Realisierung der Aufgaben bedurfte es einer engen Zusammenarbeit mit den Partnern des POZW, insbesondere mit der Volkspolizei, den Räten und anderen Einrichtungen der Kreise. Die Kreisdienststellen unterhielten ständige Verbindungen zu den SED Kreisleitungen. Zwei Drittel der hauptamtlichen Mitarbeiter der Kreisdienststellen waren operativ tätig. Die Kreisdienststellen führten 50 Prozent der IM und bearbeiteten etwa 60 Prozent der OV zu einzelnen Personen oder Gruppen.
Die Kreisdienststellen gliederten sich in 2 bis 16 Fachreferate sowie das Referat Auswertung und Information (ZAIG) und die Wache/Militärische Sicherungsgruppe. In jeder Kreisdienststelle gab es einen Offizier, der teilweise oder ganz (IM-führender Mitarbeiter/XV) für die Belange der HV A vor Ort zuständig war.
Der Begriff Untersuchungsorgan (russ.: sledstwennyj organ) ist sowjetischen Ursprungs und verdrängte in der DDR in den frühen 50er Jahren allmählich den traditionellen deutschen Begriff Ermittlungsbehörde. Untersuchungsorgane hatten laut Strafprozessordnung (StPO) der DDR die Befugnisse polizeilicher Ermittlungsbehörden und unterstanden bei der Bearbeitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens de jure der Aufsicht des Staatsanwaltes (§§ 95-98 StPO/1952, §§ 87-89 StPO/1968).
Während anfangs das MfS insgesamt als Untersuchungsorgan galt, wurden später zumeist nur noch jene Bereiche, die strafrechtliche Ermittlungsverfahren durchführten, also die HA IX in der Berliner MfS-Zentrale und die fachlich nachgeordneten Abt. IX der BV, als Untersuchungsorgan bezeichnet. Neben den Untersuchungsorganen des MfS gab es in der DDR die Untersuchungsorgane des MdI (Kriminalpolizei) und der Zollverwaltung bzw. ihres Vorläufers Amt für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs (Zollfahndungsdienst). Bis 1953 übten auch die Kommissionen für staatliche Kontrolle in Wirtschaftsstrafverfahren die Funktionen von Untersuchungsorganen aus.
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Woodstock an der Werra
Aus der gesamten DDR reisten Jugendliche in die thüringische Provinz. Ihre Ausrüstung bestand oft nur aus einigen Flaschen Bier und einer Decke. Wer die Kontrollpunkte der Transport- und Volkspolizei passieren konnte und es bis Wasungen schaffte, übernachtete dort, wo er konnte: in Schlafsälen, in Kellern, in Scheunen oder auf Dachböden. In der Besuchermenge bildeten die "Kunden" eine Gruppe, die sich deutlich von dem traditionellen Karnevalsumzug abhob. Statt Prinzenkostüm oder Narrenkappe trugen sie lange Haare, Bärte, Jeans und Parka.
Die unkontrollierte Ankunft von mehreren hundert unangepassten Jugendlichen forderte die "staatlichen Organe" der DDR heraus. Denn die "Kunden" folgten nicht dem Umzugstreiben oder lauschten den Büttenreden, sondern sie stürmten überfallartig die wenigen Kneipen der Kleinstadt.
Im Stasi-Unterlagen-Archiv finden sich zahlreiche Zeugnisse der Überwachung des "Kunden Karnevals". Stellvertretend seien zahlreiche Fotoaufnahmen und das durch das MfS angefertigte Filmmaterial zu nennen. Ferner ist im Suhler Stasi-Unterlagen-Archiv eine Kartei zum Wasunger Karneval überliefert. In dieser wurden Personen registriert, die zum närrischen Treiben in das heutige Thüringen reisen wollten und durch die "staatlichen Organe" der DDR kontrolliert, zugeführt oder zurückgewiesen wurden. Die Kartei wurde durch die Abteilung XIX der MfS-Bezirksverwaltung Suhl angelegt, zuständig unter anderem für die Überwachung des Verkehrswesens. Sie besteht aus mehr als 8.500 einzelnen Karteikarten.
Einleitung
Fernschreiben an die "Stellvertreter Operativ" der MfS-Bezirksverwaltungen zum Wasunger Karneval 1978
Reiseabsichten und "Quartiergeber"
"Operative Information" der MfS-Kreisdienststelle in Oranienburg zum Wasunger Karneval
Koordiniertes Vorgehen der "staatlichen Organe"
"Maßnahmeplan" gegen "politische Untergrundtätigkeit" rund um den Wasunger Karneval
Überwachung des Zugverkehrs
"Maßnahmeplan" zur "Gewährung von Sicherheit und Ordnung" während des Wasunger Karnevals 1989
Grafische Darstellung zum "Sicherungseinsatz" 1989
Zusammenwirken zwischen Volkspolizei, Transportpolizei und MfS beim Wasunger Karneval 1988
"Zuführungen" und "Zurückweisungen" durch die Transportpolizei
Einschätzung der "Wirksamkeit der Zuführungspunkte" während des Wasunger Karnevals 1989
Zuführungen und Zurückweisungen rund um den Wasunger Karneval 1989
Geheimpolizei im "Kunden-Karneval"
Überwachungsfotos von "Kunden" auf dem Wasunger Karneval
Überwachungsvideo von "Kunden" auf dem Wasunger Karneval
Bericht eines Inoffiziellen Mitarbeiters
Bericht eines Inoffiziellen Mitarbeiters über die Initiative "Sozialer Friedensdienst"
Hausbesetzung
Überwachungsfotos einer Hausbesetzung während des Wasunger Karnevals 1988
Überwachungsfoto des MfS einer Hausbesetzung während des Wasunger Karnevals 1988
Befragung eines Hausbesetzers nach dem Wasunger Karneval 1988
Misstrauen gegen die Volkspolizei
Information zum Einsatz der Volkspolizei-Bereitschaft auf dem Wasunger Karneval 1988
Geheime Berichte an die SED
Geheimer Bericht an die SED-Führung im Bezirk Suhl zum Wasunger Karneval 1978
Geheimer Bericht an die SED-Führung im Bezirk Suhl zum Wasunger Karneval 1988