"Tschernobyl wirkt überall!"

Die tiefe Beunruhigung der Bürger nach dem Super-GAU von Tschernobyl ließ sich jedoch nicht einfach bei Seite wischen. Das Reaktorunglück mit seinen unabsehbaren Folgen für die Natur war ein wichtiger Impuls für die Umweltbewegung der DDR. Bereits Anfang Juni 1986 musste die Stasi registrieren, dass die Umwelt- und Friedensgruppen in der DDR zahlreiche Aktionen zu Tschernobyl organisierten.

Besondere Aufmerksamkeit der Stasi weckte der Appell "Tschernobyl wirkt überall". Mitglieder und Sympathisanten der Friedens- und Umweltbewegung richteten den Aufruf an Regierung und Bevölkerung. Am 5. Juni 1986 – dem Weltumwelttag – wurde der Aufruf dem Vorsitzenden des DDR-Ministerrates und der staatlichen Nachrichtenagentur ADN übergeben. Der Appell richtet sich nicht nur gegen die zivile Nutzung der Kernenergie, sondern geißelt auch die verschleiernde Informationspolitik der DDR.

Die Stasi reagierte sofort. Mielke-Stellvertreter Rudi Mittig wies alle Bezirksverwaltungen der Staatssicherheit an, "politisch-operative Maßnahmen" gegen die Unterzeichner des Appells einzuleiten, weitere Pläne der Organisatoren aufzudecken und diese frühzeitig zu verhindern. Insbesondere sollte die weitere Verbreitung des Appells verhindert werden.