Inoffizielle Informationen

Genaueres über den tatsächlichen Hergang der Katastrophe erfuhr das MfS jedoch erst sechs Wochen nach dem Super-GAU. Am 5. Juni informierten der sowjetische Energieminister Anatoli Majorez und der Vorsitzende des staatlichen Komitees für die Nutzung der Atomenergie der UdSSR Andronik Petrosjanz den Energieminister der DDR Wolfgang Mitzinger über die Havarie in Tschernobyl. IMS "Werner Lorenz" nahm an dem Gespräch teil und berichtete der Stasi ausführlich.

Nach sowjetischer Darstellung war es vor allem menschliches Versagen, das zu dem Unglück geführt hatte. Heute weiß man, dass ein Zusammenspiel von Konstruktionsmängeln und Fehlreaktionen des Personals die Kernschmelze verursacht hatten.

In jedem Fall war es im Reaktor zu einem unkontrollierten Anstieg der Leistung gekommen. Die resultierende Explosion hob den gut tausend Tonnen schweren Deckel des Reaktors ab und legte den schmelzenden Kern frei. Im Reaktorkern selbst fingen 250 Tonnen Graphit, ein Bestandteil des Reaktoraufbaus, beim Kontakt mit der Luft Feuer. Durch die immense Hitze dieses Brandes wurde radioaktives Material nicht nur in die unmittelbare Umgebung geschleudert, sondern gelangte als Staub und Gas in große Höhen. Von dort trieb es als Wolke unter anderem Richtung Westen.