Hilferuf aus Moskau

Das Komitee für Staatssicherheit der Sowjetunion (KGB) rückte immer noch keine Informationen zum Reaktorunglück heraus. Der Dienst fragte jedoch am 29. April 1986 beim MfS an, wie in der DDR Brände in Kernkraftwerken gelöscht werden sollten, und wie sich Rettungskräfte gegen hohe Strahlenbelastung schützen würden.

Offenbar suchte der KGB dringend nach Anregungen, wie sich die Folgen der Katastrophe bewältigen ließen. In Tschernobyl brannte unterdessen der Reaktorkern. Ein Gemisch aus Beton, Graphit und den geschmolzenen Brennstäben hatte eine lavaartige Masse gebildet. Löschversuche mit Sand, Borsäure und später Blei, wegen der hohen Strahlung aus großer Höhe abgeworfen, waren ohne Wirkung geblieben. Der geschmolzene Kern glühte mit einer Temperatur von über 1 200 Grad Celsius weiter. Bei den Löscharbeiten an den Kraftwerksgebäuden und verzweifelten Notfallmaßnahmen innerhalb des Reaktors wurden zahlreiche Einsatzkräfte schwer verstrahlt, 28 von ihnen starben zwischen einer Woche und weniger Monate nach dem Unglück.

Das MfS lieferte pflichtschuldig die angefragten Informationen. Man konnte dem KGB jedoch wenig Handfestes bieten: Am 9. Mai sandte die Stasi eine Sammlung wissenschaftlicher Artikel und eine einschlägige Publikation aus der Bundesrepublik, ein Bulletin und allgemeine Informationen der IAEA, die Promotion eines Mitarbeiters des SAAS sowie "Lösungsvorschläge und Ideen" zweier Experten.