Der Plan entsteht

1973 erkrankte Biermanns geliebte Oma Meume in Hamburg. Er bat die Obrigkeit, sie ein letztes Mal besuchen zu dürfen. Er verwies auf ihre Verdienste als Kommunistin und versprach, sich jeglicher Aktivität jenseits des Krankenbesuchs zu enthalten. Für ihn überraschend wurde die Reise genehmigt: Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) hoffte, Biermann würde einen Vorwand liefern, ihn endgültig los zu werden.

Im April 1973 hatte das MfS einen Plan für "den Abschluss der operativen Bearbeitung Biermanns" entwickelt. Eigentlich, so sinnierten die Genossen darin, müsse man ihn wegen "staatsfeindlicher Hetze" verhaften und zehn bis 15 Jahre einsperren. Doch die Stasioffiziere entwickelten die viel eleganter erscheinende Strategie, ihn in den Westen reisen zu lassen, um ihm dann, wenn er dort seine Lieder öffentlich singt, die Staatsbürgerschaft zu entziehen.

Sollte aber Biermann wider Erwarten keinen solchen Vorwand liefern, werde das MfS ihn bei seiner Rückkehr festnehmen: 24 Stunden Verhör und Androhung einer langen Haftstrafe sollten genügen, ihm mit Nachdruck die "freiwillige Übersiedlung nach Westdeutschland" nahezulegen. Allerdings glaubte die Stasi selbst nicht, dass Biermann auf diese Erpressung eingehen würde. Sie befürchtete vielmehr, dass er seine Weigerung, das Land zu verlassen mit der "provokatorischen Forderung […] zur Verbüßung der Freiheitsstrafe" verbinden würde. Aus diesen Erwägungen empfahlen die Planer im MfS, in diesem Fall "sollte auch gegen seinen Willen eine sofortige Ausweisung nach Westdeutschland vorgenommen werden".

Exakt nach einem solchen Drehbuch sollte das sowjetische KGB verfahren, als es knapp ein Jahr später, am 13. Februar 1974, Alexander Solshenizyn festnahm, mit einer Verurteilung wegen Landesverrats bedrohte und ihn am folgenden Tag gegen seinen Willen aus dem Lande brachte.

1973 fuhr Biermann zu seiner Großmutter nach Westdeutschland. Dass er auf dieser Reise eine Schallplatte aufnahm, bekam die Stasi nicht mit. Somit blieb ihr Plan vorerst in der Schreibtischschublade. Auf Abruf – im Oktober 1976 wurde er wieder vorgelegt und nach Biermanns Konzert in Köln umgesetzt.