Beginn der Zusammenarbeit

Ihren Anfang hatte die nun dramatisch unterbrochene Zusammenarbeit am 19. April 1955 genommen. An jenem Tag begab sich der 27-jährige West-Berliner Polizist Karl-Heinz Kurras zum "Haus der Einheit" an der Ecke von Wilhelm-Pieck-Straße, der heutigen Torstraße, und der Prenzlauer Allee in Ost-Berlin. Dort, am Sitz des Zentralkomitees der SED, meldete sich der junge Mann an der Wache und verlangte, einen Vertreter der Staatssicherheit zu sprechen. Dem herbeigerufenen Mitarbeiter der Abteilung IV der Verwaltung Groß-Berlin, Oberleutnant Fritz Redlin, erklärte Kurras, dass er in den "demokratischen Sektor überzutreten" gedenke. Dort wolle er bei der Volkspolizei arbeiten.

Wenn Kurras in die DDR überwechseln wolle, so erklärte ihm der Stasi-Offizier einer späteren Gesprächsnotiz zufolge, müsse er seine "Ehrlichkeit" unter Beweis stellen. Dafür sollte er noch eine Weile bei der "Stummpolizei" bleiben, wie die West-Berliner Polizei in der DDR nach ihrem Präsidenten genannt wurde, und Informationen über seinen Arbeitgeber sammeln. Der junge Polizist ließ sich überzeugen: "Wenn ich mich für Ihre Ordnung bekenne, dann muss ich auch dafür etwas tun", zitiert Redlin Kurras in seinem Bericht. "Das sehe ich ein."

Redlin und Kurras verabredeten sich zu zwei weiteren "Treffs" in Ost-Berlin. In der Zwischenzeit prüfte die Stasi, ob Kurras in den eigenen Unterlagen bereits erfasst war, zum Beispiel als Mitarbeiter einer "Feindzentrale", also der bundesdeutschen Dienste. "Selbstanbietern" gegenüber war die Geheimpolizei stets misstrauisch. Kurras schien zudem private Probleme mitzubringen. Seine Ehe stand vor der Scheidung und er musste um seine Anstellung fürchten, denn seine Frau hatte ihn bei seinen Vorgesetzten als KPD-Sympathisanten angeschwärzt.

Die interne Überprüfung ergab jedoch keine Verdachtsmomente. Schon am 26. April, eine Woche später, formulierte Redlin einen "Vorschlag zur Anwerbung". Am selben Tag unterschrieb Kurras eine Verpflichtungserklärung und wählte den Decknamen "Otto Bohl". Kurras war nun "Geheimer Mitarbeiter" der Staatssicherheit, wie die Inoffiziellen Mitarbeiter seinerzeit genannt wurden.