Der Sonderzug nach Pankow

Der westdeutsche Sänger Udo Lindenberg warb in seinen Liedern für ein Miteinander jenseits ideologischer Grenzen. Nicht nur der bedrohliche "Atomraketenwald", auch die DDR und die von ihr errichtete Mauer waren Thema seiner Songs. Lange hatte Lindenberg sich vergeblich um einen DDR-Auftritt bemüht. Im Februar 1983 warb er dafür lautstark mit dem Lied "Sonderzug nach Pankow". Darin grüßte er den Staatsratsvorsit zenden Erich Honecker und forderte ihn auf, nicht so ein "sturer Schrat" zu sein und ihn endlich im Arbeiter- und Bauernstaat singen zu lassen. Der mit so viel Ironie Bedachte ließ das Lied erbost verbieten. Wer es im Osten öffentlich spielte, riskierte Haft. Die Stasi stellte in einer "rechtlichen Analyse" fest, der Text sei geeignet, das "gesellschaftliche Ansehen des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR ... herabzusetzen". Lindenbergs "gesamtes Verhalten und Auftreten" sei "dekadent".

Als das Lied erschien, stand die Welt am atomaren Abgrund. Im Zuge des NATO-Doppelbeschlusses von 1979 wurden 1983 als Reaktion auf die Modernisierung sowjetischer Raketen in Osteuropa neue US-Raketen in Westeuropa aufgestellt. Hunderttausende Menschen gingen dort gegen das Wettrüsten auf die Straße und engagierten sich in der Friedensbewegung. Eine unabhängige Friedensbewegung entstand auch in der DDR. Die Partei- und Staatsführung reagierte prompt. Sie ließ Polizei und Staatssicherheit brutal gegen junge Menschen vorgehen, die etwa den Aufnäher "Schwerter zu Pflugscharen" trugen. Und sie ließ eine ihr genehme offizielle Friedensbewegung ausschließlich gegen NATO-Raketen protestieren.

Kein Wunder, dass der Rocker aus dem Westen mit seinem Auftrittswunsch ins Visier der Stasi geriet, und das schon in den 70er Jahren.